1. Allgemeines
Zum Anschluss als Nebenkläger berechtigt sind zunächst die in § 395 Abs. 1 und 2 StPO Genannten. § 373b StPO gilt nicht (BT-Drucks 19/99, S. 99; Burhoff/Burhoff, EV, Rn 4712). Die Berechtigung zum Anschluss als Nebenkläger besteht schon dann, wenn nach der Sachlage die Verurteilung des Beschuldigten/Angeklagten wegen einer Nebenklagestraftat rechtlich möglich erscheint (BGH NJW 1999, 2380; NStZ-RR 2008, 352 m.w.N.; OLG Celle StraFo 2017, 195; OLG Hamm, Beschl. v. 9.3.2021 – 4 Ws 35/21; OLG Rostock, Beschl. v. 25.4.2016 – 20 Ws 75/16; OLG Schleswig, Beschl. v. 8.3.2022 – 1 Ws 42/22; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl. 2023 § 395 Rn 4 [im Folgenden kurz: Meyer-Goßner/Schmitt); es muss z.B. nicht die Anklage auf das Delikt gestützt sein (für Tötungsdelikt OLG Schleswig, Beschl. v. 8.3.2022 – 1 Ws 42/22). Voraussetzung ist weder ein dringender noch ein hinreichender Tatverdacht für das Vorliegen eines Nebenklagedelikts (OLG Celle, a.a.O.). Ausreichend ist eine auch nur wenig erfolgversprechende Aussicht dafür, dass der Angeklagte nach der Sachlage oder aufgrund des Vorbringens des Antragstellers wegen einer Nebenklagestraftat verurteilt wird (OLG Celle, a.a.O.; OLG Rostock, a.a.O.; OLG Schleswig, Beschl. v. 8.3.2022 – 1 Ws 42/22; wegen weiterer Einzelh. Burhoff/Burhoff, EV, Rn 3172).
Hinweis:
Der Widerruf der Zulassung kann in jeder Lage des Verfahrens erfolgen, wenn ihr von vornherein die rechtliche Grundlage gefehlt hat; er scheidet allerdings aus, wenn sich in der Hauptverhandlung im Verlauf der Beweisaufnahme ergibt, dass die tatsächlichen Voraussetzungen des Nebenklagedelikts nicht nachweisbar sind oder sich die tatsächlichen Behauptungen des Nebenklägers als unrichtig erweisen (OLG Celle, a.a.O., m. abl. Anm. Eisenberg, StraFo 2017, 283; zur Aufhebung auch noch KG, Beschl. v. 6.2020 – 4 Ws 37/20).
2. Besondere Verfahrensarten
Die Nebenklage kann gem. § 80 Abs. 3 JGG auch teilweise gegen einen zur Tatzeit Jugendlichen geführt werden. Anschließen kann sich im JGG-Verfahren derjenige (wegen der Einzelh. Diemer/Schatz/Sonnen, JGG, 8. Aufl. 2020; Bühler, StraFo 2016, 365; zum Anschluss im JGG-Verfahren auch noch OLG Celle StraFo 2016, 195), der durch ein Verbrechen gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung oder nach §§ 239 Abs. 3, 239a oder 239b StGB, durch welches das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist, durch einen besonders schweren Fall eines Vergehens nach § 177 Abs. 6 StGB, durch welches das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist, oder durch ein Verbrechen nach § 251 StGB, auch i.V.m. § 252 StGB oder § 255 StGB, verletzt worden ist.
Gegen Heranwachsende ist die Nebenklage zulässig (zum Widerruf der Zulassung im JGG-Verfahren, wenn sich im Laufe des Verfahrens ergibt, dass der Angeklagte unter 18 Jahre alt war/ist, OLG Celle StraFo 2016, 195 m. abl. Anm. Eisenberg, StraFo 2017, 283). Im gem. § 103 JGG verbundenen Verfahren gegen Jugendliche und Erwachsene ist eine Nebenklage gegen letztere zulässig (BGHSt 41, 288; 48, 34; Meyer-Goßner/Schmitt, vor § 395 Rn 6 m.w.N. auch zur a.A., wie z.B. OLG Zweibrücken StV 2009, 88).
Nach der Neufassung des § 395 Abs. 1 StPO ist die Nebenklage auch im Sicherungsverfahren zulässig (so schon BGHSt 47, 202 m.w.N. aus der Rspr. zu der früher umstr. Frage). Im Jugendverfahren ist der Anschluss im Sicherungsverfahren aber nach wie vor nicht zulässig (Diemer/Schatz/Sonnen, a.a.O., § 80 Rn 11). Unzulässig ist sie auch im Verfahren zur nachträglichen Sicherungsverwahrung (BGH NStZ-RR 2008, 68 [Be]).
3. Anschlussberechtigte
a) Allgemeines
Durch das 2. OpferRRG ist 2009 der Katalog der Anschlussberechtigungen erheblich umgestaltet worden. Einerseits sind in § 395 Abs. 1 StPO nur noch erhebliche (insb.) Aggressionsdelikte enthalten, andererseits ist der Deliktskatalog durch den Auffangtatbestand des § 395 Abs. 3 StPO erheblich erweitert worden (dazu BT-Drucks 16/12098, S. 45 ff.; zur Reform Barton, JA 2009, 753; ders., StRR 2009, 404; zur Kritik Schroth, NJW 2009, 2916).
b) Anschlussberechtigung nach § 395 Abs. 1 StPO
Zum Anschluss berechtigt sind nach § 395 Abs. 1 StPO (vgl. a. Burhoff/Burhoff, EV, 3174 ff.):
- Nr. 1, 2, 3 und 4 die durch bestimmte rechtswidrige Taten (sexueller Missbrauch, Vergewaltigung, Körperverletzungs- und versuchte Tötungsdelikte, Förderung der Prostitution und Zuhälterei; Straftaten gegen die persönliche Freiheit, also auch „Stalking” (§§ 232–238, 239 Abs. 3, 239a, 239b, 240 Abs. 4) verletzten Personen, und zwar auch dann, wenn die Tat nur Rauschtat eines Vollrauschs nach § 323a StGB ist (BGH, Beschl. v. 16.7.2019 – 4 StR 131/19, NStZ-RR 2019, 353) sowie dann, wenn der Nebenkläger wegen einer anderen Tat in demselben Verfahren mitangeklagt ist (BGH StraFo 2005, 427); ob unbenannte schwere Fälle nach § 240 Abs. 4 S. 1 StGB Katalogtaten i.S.v. Nr. 4 darstellen, ist umstritten (verneint von LR-Wenske, StPO, 26. Aufl., § 395 Rn 3 ff; OLG Hamburg, Beschl. v. 13.1.2021 – 2 Rev 32/20; bejaht von MüKo-StPO/Valerius, § 395 Rn 53),