1. Nebenklägerbeistand (§ 397a StPO)
Nach § 397a StPO kann dem Nebenkläger ein Beistand beigeordnet werden. Es ist zu unterscheiden: Für die privilegierten Nebenkläger gilt § 397a Abs. 1 StPO (dazu V. 1. a). Für den „normalen” Nebenkläger verweist § 406h Abs. 3 StPO i.V.m. § 397a Abs. 2 StPO hingegen auf die Voraussetzungen der PKH (dazu V. 1. b; wegen des Beiordnungsverfahrens Burhoff/Burhoff, EV, Rn 3203).
a) Privilegierte Nebenkläger (§ 397a Abs. 1 StPO)
Den nach § 397a Abs. 1 StPO privilegierten Nebenklägern ist auf Antrag stets ein Beistand zu bestellen, auch wenn sie nicht bedürftig i.S.d. PKH sind, und ohne Rücksicht darauf, ob ihnen eine Eigenwahrnehmung zuzumuten ist oder ob sie ihre Interessen selbst nicht ausreichend wahrnehmen können. Es handelt sich also um einen „kostenlosen Opferanwalt”.
Der Anspruch auf Bestellung eines anwaltlichen Beistands besteht bereits dann, wenn auch nur die geringe Möglichkeit besteht, dass der Angeklagte ein Delikt i.S.v. § 397a Abs. 1 StPO (wegen der Einzelh. des Katalogs der Anschlussberechtigung in § 397a Abs. 1 StPO Burhoff/Burhoff, EV, Rn 3200) begangen hat und seine Verurteilung deswegen in Betracht kommt bzw. die Verurteilung wegen einer Nebenklagestraftat rechtlich möglich erscheint (BGH NJW 1999, 2380; NStZ 2000, 552; NStZ-RR 2008, 353; OLG Hamm, Beschl. v. 9.3.2021 – 4 Ws 35/21; LG Kiel, Beschl. v. 26.1.2022 – 5 Qs 2722). Nicht relevant ist hingegen, ob die vorgeworfene Tat in der Anklage oder im Eröffnungsbeschluss als Nebenklagedelikt gewertet wurde. Auch nicht erforderlich ist ein dringender oder hinreichender Tatverdacht (OLG Celle StraFo 2017, 195, 196; OLG Hamm, a.a.O.; BT-Drucks 10/5305, S. 11). Die Beistandsbestellung kann nur dann ausscheiden, wenn bereits nach der Darstellung des Nebenklägers seine unmittelbare Rechtsbeeinträchtigung ausscheidet oder – nach allgemeinen Grundsätzen – die Wahrnehmung des Rechts der Beistandsbestellung rechtsmissbräuchlich ist (OLG Hamm, a.a.O.).
Die Beiordnung nach § 397a Abs. 1 StPO geht der nach Abs. 2 vor (BGH NJW 1999, 2380). Die Beiordnung nach Abs. 1 gilt bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens (BGH NJW 2000, 3222; StraFo 2008, 131; 2009, 349), also auch noch für die Revisions-Hauptverhandlung (BGH NJW 2000, 3222; Beschl. v. 10.8.2020 – 5 StR 616/19 [Ls.] für Erforderlichkeit der Reise des Nebenklägervertreters zur Revisions-Hauptverhandlung).
Die Beiordnung erstreckt sich nach h.M. nicht auf Tätigkeiten im Adhäsionsverfahren (BGH NJW 2001, 2486; StraFo 2008, 131; 2009, 349; OLG Hamm NStZ-RR 2001, 351; Burhoff in: Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl. 2021, Nr. 4143 VV Rn 17 f.). Insoweit muss nach § 404 Abs. 5 PKH beantragt werden. Deren Bewilligung gilt aber nur für die jeweilige Instanz (BGH, a.a.O.; Meyer-Goßner/Schmitt, § 397a Rn 17b), sodass also ein neuer Antrag gestellt werden muss (BGH, a.a.O.; Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O.; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2015, 381).
b) „Normaler” Nebenkläger (§ 397a Abs. 2 StPO)
Für den „normalen” Nebenkläger verweist § 397a Abs. 2 StPO auf die Voraussetzungen der PKH (wegen der Einzelh. Meyer-Goßner/Schmitt, § 406hg Rn 5 ff.; Volpert, AGS 2020, 365, 366 ff.). Ausreichend für eine Beiordnung ist i.Ü., dass der Nebenkläger seine Interessen selbst nicht ausreichend wahrnehmen kann oder ihm dies nicht zuzumuten ist. Die Unzumutbarkeit der eigenen Interessenswahrnehmung i.S.d. § 397a StPO stellt im Wesentlichen auf die psychische Betroffenheit des Nebenklägers durch die Tat ab, dass diese ihn also unvertretbar belasten würde (LG Stade, Beschl. v. 20.2.2023 – 102 Qs 55/22). Eine schwierige Sach- oder Rechtslage ist nicht erforderlich. Bei schwieriger Sach- oder Rechtslage wird aber i.d.R. eine Beiordnung vorzunehmen sein (vgl. dazu OLG Schleswig, Beschl. v. 8.3.2022 – 1 Ws 42/22).
Die Bewilligung von PKH gilt nur für die jeweilige Instanz (§ 397a Abs. 2 StPO i.V.m. § 119 Abs. 1 S. 1 ZPO; BGH StraFo 2008, 131; 2009, 349; NStZ-RR 2015, 351; KG RVGreport 2011, 142). PKH muss also in jeder Instanz neu beantragt werden. Die Bewilligung von PKH kann für den Rechtszug nur einheitlich ergehen und nicht einzelne Teile des Verfahrens, insb. einzelne HV-Tage oder einzelne Tatvorwürfe, hiervon ausnehmen (OLG Naumburg, Beschl. v. 16.3.2021 – 1 Ws (s) 60/21, AGS 2021, 232). Bei der Antragstellung ist jeweils die Darlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers für jede Instanz erforderlich, wobei der Antragsteller sich grds. des vorgeschriebenen Vordrucks zu bedienen hat (BGH StraFo 2017, 258; NStZ-RR 2015, 351). Eine Bezugnahme auf eine in einer früheren Instanz abgegebene Erklärung reicht nur in besonderen Fällen aus (BGH, a.a.O.). Eine gerichtliche Hinweispflicht auf diese Sachlage sowie eine Pflicht auf ein Zuwarten mit der abschließenden Entscheidung besteht nicht (BGH NStZ-RR 2015, 351).