Wird durch die Zwangsvollstreckung in bestimmte Gegenstände – wegen der eingeschränkten Prüfungsbefugnis der Vollstreckungsorgane formell zu Recht – in geschützte materielle Rechte eines Dritten eingegriffen, kann dieser sich hiergegen mit der Drittwiderspruchsklage zur Wehr setzen, um dem materiellen Recht Geltung zu verschaffen. Die Drittwiderspruchsklage (auch Interventionsklage) ist nach h.M. prozessuale Gestaltungsklage (BGH, Urt. v. 7.3.1972 – VI ZR 158/70, NJW 1972, 1048). Die von dem Beklagten betriebene, formell rechtmäßige Vollstreckung in einen bestimmten Gegenstand, an dem der Kläger ein materielles Recht hat, wird rechtsgestaltend für unzulässig erklärt (Musielak/Voit/Lackmann, a.a.O., § 771 ZPO Rn 1).
1. Zulässigkeitsvoraussetzungen
Der Streitgegenstand ist die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung in einen bestimmten einzelnen Gegenstand und damit gerade nicht die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus dem Titel insgesamt, wie dies bei § 767 ZPO (analog) der Fall ist (Müko-ZPO/Schmidt/Brinkmann, a.a.O., § 771 ZPO Rn 3). Im Rahmen der Zulässigkeit regelmäßig zu prüfen sind die Statthaftigkeit, die Einlegung beim zuständigen Gericht und das Rechtsschutzbedürfnis.
a) |
Die Drittwiderspruchsklage ist statthaft, wenn sich ein Dritter aufgrund vermeintlich ihm zustehender materiell-rechtlicher Einwendungen gegen die Zwangsvollstreckung in sein Vermögen wehrt. In Abgrenzung zur Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO ist maßgeblich, ob auch formale Fehler bei der Zwangsvollstreckung geltend gemacht werden (z.B. ein Verstoß gegen § 809 ZPO), weil Letztere mit § 771 ZPO nicht vorgebracht werden können. Die beiden Rechtsbehelfe können nebeneinander oder nacheinander in Anspruch genommen werden (Müko-ZPO/Schmidt/Brinkmann, a.a.O., § 771 ZPO Rn 9 m.w.N.). |
b) |
Örtlich ausschließlich zuständig ist das Gericht, in dessen Bezirk die Zwangsvollstreckung stattfindet (§§ 771 Abs. 1, 802 ZPO). Die sachliche Zuständigkeit ergibt sich aus allgemeinen Regeln der §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG i.V.m. § 6 ZPO: Für die Streitwertbestimmung ist die Höhe der Forderung maßgebend, wegen der vollstreckt wird, maximal aber der Wert des gepfändeten Gegenstands. Die sachliche Zuständigkeit ist nicht ausschließlich, sodass rügeloses Einlassen nach § 39 ZPO möglich bleibt (BGH, Beschl. v. 9.2.2017 – IX ZR 142/16, BeckRS 2017, 101937; Müko-ZPO/Schmidt/Brinkmann, a.a.O., § 771 ZPO Rn 55 f.). |
c) |
Das Rechtsschutzbedürfnis besteht ab dem Beginn der Zwangsvollstreckung in den betreffenden Gegenstand bis zum Ende der Zwangsvollstreckung, wobei es unschädlich ist, wenn die angegriffene Pfändung nichtig ist, weil z.B. eine nicht dem Vollstreckungsschuldner zustehende Forderung eines Dritten gepfändet wurde. Der Dritte muss mit § 771 ZPO auch den bloßen Rechtsschein einer wirksamen Pfändung beseitigen können, weil der Schein einer wirksamen Pfändung dazu führen kann, dass der gepfändete Gegenstand versteigert wird oder der Drittschuldner an den Gläubiger zahlt (BGH, Urt. v. 23.2.1981 – II ZR 123/80, BeckRS 1981, 31070041; Musielak/Voit/Lackmann, a.a.O., § 771 ZPO Rn 9). |
2. Begründetheit
Die Drittwiderspruchsklage ist begründet, wenn der Kläger „ein die Veräußerung hinderndes Recht” hat und die Berufung darauf nicht ausnahmsweise ausgeschlossen ist (Thomas/Putzo/Seiler, a.a.O., § 771 ZPO Rn 14 ff.).
a) |
Die Aktivlegitimation steht auf Klägerseite jedem Dritten zu, nie dem Vollstreckungsgläubiger und dem Vollstreckungsschuldner nur ausnahmsweise, wenn er nur mit bestimmten Vermögensmassen haftet, z.B. in seiner Stellung als Partei kraft Amtes oder als Erbe vor Annahme der Erbschaft bei Vollstreckung in sein persönliches Vermögen (Musielak/Voit/Lackmann, a.a.O., § 771 ZPO Rn 11). |
b) |
Ein die Veräußerung hinderndes Recht i.S.v. § 771 Abs. 1 ZPO liegt vor, wenn das Recht des Dritten bewirkt, dass der gepfändete Gegenstand nicht zum Vermögen des Vollstreckungsschuldners gehört (Thomas/Putzo/Seiler, a.a.O, § 771 ZPO Rn 14a a.E.). Nach der Formel des BGH wird ein Recht i.S.v. § 771 ZPO immer dann angenommen, „wenn der Schuldner selbst, veräußerte er den Vollstreckungsgegenstand, widerrechtlich in den Rechtskreis des Dritten eingreifen würde und deshalb der Dritte den Schuldner hindern könnte, zu veräußern” (BGH, Urt. v. 28.6.1978 – VIII ZR 60/77, NJW 1978, 1859; Musielak/Voit/Lackmann, a.a.O., § 771 ZPO Rn 12). |
c) |
Als mögliche Rechte Dritter kommen das Eigentum, das Anwartschaftsrecht und nach h.M. auch trotz § 51 Nr. 1 InsO das Sicherungseigentum in Betracht (BGH, Urt. v. 11.1.2007 – IX ZR 181/05, NJW-RR 2007, 781). Bei einem Treuhandverhältnis kann der Treugeber jedenfalls bei der sog. fremdnützigen Treuhand (z.B. Elternteil verwaltet im eigenen Namen Konto für sein Kind) gegen eine Zwangsvollstreckung in das Kontovermögen vorgehen, weil sein Anspruch gegen den Treuhänder auf Auszahlung des verwalteten Geldes ein Interventionsrecht nach § 771 ZPO darstellt (Grüneberg/Herrler, 82. Aufl. 2023, § 903 BGB Rn 41 m.w.N.). Bei der sog. eigennützigen Treuhand (z.B. Sicherungsübereignung) kann der Treugeber (= Sich... |