Union und SPD haben ihren Streit über die Reform der Erbschaftsteuer beigelegt und kommen der Wirtschaft jetzt weit entgegen. Mit einem am 8. Juli vom Bundeskabinett beschlossenen Gesetzentwurf lockert die Koalition nochmals die Vorgaben zur Verschonung von Firmenerben. Sie fallen weniger scharf aus als ursprünglich vom Bundesfinanzministerium geplant.
Nach der noch geltenden Rechtslage müssen Unternehmenserben kaum Steuern zahlen, wenn sie den Betrieb lange genug weiterführen und die Beschäftigten halten. Allerdings hatte das BVerfG Ende 2014 schärfere Regeln für die Begünstigung gefordert und u.a. verlangt, dass bei größeren Unternehmen Firmenerben nur dann verschont werden dürfen, wenn sie in einer "Bedürfnisprüfung" nachweisen, dass sie die Steuer nicht verkraften (vgl. ZAP EN-Nr. 20/2015).
Nach dem jetzt gefundenen Kompromiss bleiben kleine Betriebe mit bis zu drei Beschäftigten künftig komplett von der Erbschaftsteuer befreit. Darüber hinaus gilt eine flexible Lohnsummenregelung: Erben, die ein Unternehmen fortführen, dürfen, um in den Genuss der Steuervergünstigung zu kommen, danach eine Zeit lang keine deutlich niedrigeren Löhne zahlen als vorher. Diese Vergünstigung soll bis zur Grenze von 26 Mio. Euro je Erbfall gelten – statt der von Bundesfinanzminister Schäuble zunächst geplanten 20 Mio. Euro. Bei Familienunternehmen mit Kapitalbindungen liegt diese Grenze sogar bei 52 Mio. Euro (statt 40 Mio. Euro). Überschreitet das Betriebsvermögen diese Beträge, kann der Erbe eine "Verschonungsbedarfsprüfung" beantragen. Ein Steuererlass ist möglich, wenn er nachweist, dass sein verfügbares Vermögen nicht zur vollen Entrichtung der Steuer ausreicht.
Alternativ zu dieser Verschonungsbedarfsprüfung kann der Erbe einen "verringerten Verschonungsabschlag" beantragen. Dieser schmilzt jedoch mit steigendem Wert des geerbten Vermögens (sog. Abschmelzmodell). Ab 116 Mio. Euro begünstigten Vermögens gilt ein einheitlicher Verschonungsabschlag: 20 % bei Weiterführung des Betriebes um mindestens fünf Jahre bzw. 35 % bei Weiterführung des Betriebes um mindestens sieben Jahre. Diese Änderungen gelten erstmals für Erwerbe, die nach der Verkündung des Gesetzes steuerpflichtig werden. Eine Rückwirkung ist nicht vorgesehen.
Trotz des offenbar mühsam ausgehandelten Kompromisses hagelte es kurz nach Bekanntwerden Kritik auch aus den Reihen der Regierungsfraktionen. Während die Privilegierung der Firmenerben vielen SPD-Abgeordneten zu weit geht, mahnen etliche Unionsvertreter – darunter insbesondere aus der CSU – weitere Erleichterungen für den Mittelstand an. Da das Gesetz die Zustimmung des Bundesrates benötigt, wird erwartet, dass es noch einige Änderungen erfahren wird.
Ungehört verhallt sind offenbar die Mahnungen aus den rechts- und steuerberatenden Berufen. So hatte etwa die Bundessteuerberaterkammer im Vorfeld der Kabinettsentscheidung vor einem "Bürokratiemonster" gewarnt: Die geplanten Bestimmungen zur Bewertung der begünstigten Wirtschaftsgüter eines Unternehmens seien derart kompliziert, so die Steuerberater, dass sie den Bewertungsaufwand um ein Vielfaches erhöhen werden.
Auch der Deutsche Anwaltverein hatte nicht mit Kritik gespart: Wegen vieler Auslegungsprobleme und verfassungsrechtlicher Zweifel werde es zu einer Zunahme der Rechtsstreitigkeiten kommen, prognostizierten die Anwaltsvertreter noch im Juni in ihrer offiziellen Stellungnahme zum Referentenentwurf. Die Einbeziehung des originären Privatvermögens des Erwerbers in die Bedürfnisprüfung widerspreche der Systematik des Erbschaftsteuerrechts. Sie führe faktisch zu einer Vermögensteuer und werfe damit neue verfassungsrechtliche Fragen auf. Insgesamt unterliegt die Reform aus Anwaltssicht einem "erheblichen Nachbesserungs-und Konkretisierungsbedarf", so der DAV.
[Red.]