Gemäß § 23 Nr. 2d GVG umfasst die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts auch Streitigkeiten wegen Wildschadens. Der Kreis der wegen eines solchen Anspruchs möglicherweise Verpflichteten ist dem sechsten Teil des Bundesjagdgesetzes zu entnehmen. Komplikationen schafft bei einer Streitigkeit wegen Wildschadens § 35 BJagdG. Danach können die Länder in Wildschadenssachen das Beschreiten des ordentlichen Rechtsweges davon abhängig machen, dass zuvor ein Feststellungsverfahren vor einer Verwaltungsbehörde (Vorverfahren) stattgefunden hat. Die Durchführung eines Schiedsverfahrens i.S.d. § 1 SchlG BW ist hingegen neben der Durchführung eines Vorverfahrens nicht erforderlich (AG Freiburg, Urt. v. 9.9.2011 – 53 C 259/11).
1. Grundsätzliches
a) Verwaltungsrechtliches Vorverfahren
Das verwaltungsrechtliche (LG Osnabrück, Urt. v. 10.1.1992 – 11 S 459/90) Vorverfahren eröffnet nicht einmal den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten, wenn mit der Behörde (Gemeinde) um Einzelheiten der Durchführung dieses Verfahrens gestritten wird. Die Zuständigkeit des Amtsgerichts für Streitigkeiten wegen Wildschadens umfasst vielmehr sogar Verfahren, in denen der Kläger gegenüber der Gemeinde die Anberaumung eines Ortstermins nach § 17 Abs. 2 LJagdGDVO (Baden-Württemberg) und ggf. den Erlass eines schriftlichen Vorbescheids nach § 19 LJagdGDVO begehrt (VG Freiburg, Beschl. v. 3.5.2011 – 3 K 1887/10).
b) Örtliche Zuständigkeit
Was die örtliche Zuständigkeit der Amtsgerichte bei Ansprüchen auf Wildschadensersatz anbelangt, so richtet sie sich etwa in Baden-Württemberg unbeschadet des dort eingerichteten behördlichen Vorverfahrens nach den §§ 12 ff. ZPO. Denn § 23 Nr. 2d GVG enthält lediglich eine Regelung der sachlichen Zuständigkeit. Es ist ferner nicht willkürlich, wenn das gem. § 32 ZPO angerufene Amtsgericht den Gerichtsstand dieser Vorschrift verneint. Obschon die Vorschrift auch Gefährdungshaftung erfasst, ist es nämlich zumindest vertretbar, die Wildschadenshaftung als Sonderfall der Aufopferung anzusehen, die Ausgleichsansprüche zum Gegenstand hat (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 8.9.2003 – 15 AR 21/03).
2. Fehler im Vorverfahren
Das behördliche Vorverfahren ist – nicht verzichtbare (LG Hannover, Urt. v. 16.12.1987 – 11 S 316/87) – Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Klage wegen Wildschadens (LG Hildesheim, Urt. v. 2.9.1992 – 7 S 161/92). Eine vor Abschluss des Vorverfahrens erhobene Klage kann jedoch durch Zustellung des Vorbescheids bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zulässig werden (LG Osnabrück, Urt. v. 10.1.1992 – 11 S 459/90). Andererseits soll ein Anspruch auf Ersatz von Wildschaden sogar erlöschen, wenn der Schadensfall nicht binnen einer Woche nach Kenntnisnahme oder möglicher Kenntnis angemeldet worden ist (LG Osnabrück, Urt. v. 17.7.1992 – 11 S 4135/92). Jedenfalls die Ordnungsgemäßheit eines Vorverfahrens ist indessen keine Sachurteilsvoraussetzung (AG Bitburg, Urt. v. 25.5.2000 – 5 C 503/99). So scheitert das Verfahren vor den ordentlichen Gerichten nicht daran, dass das Verfahren vor der Gemeinde mit formellen Mängel behaftet ist (LG Hannover, Urt. v. 16.12.1987 – 11 S 316/87). Auch ist das Vorverfahren durchgeführt, obschon ein Vorbescheid nicht zugestellt worden ist (LG Frankenthal, Urt. v. 23.6.2004 – 2 S 60/04). Ferner läuft die zweiwöchige Frist des § 37 Abs. 1 HJagdG unabhängig davon, ob dem Vorbescheid eine ordnungsgemäße Rechtsmittelbelehrung beigefügt war (BGH, Urt. v. 6.6.2013 – III ZR 360/12).
3. Vorverfahren und gerichtliches Beweisverfahren
Einerseits soll das rechtliche Interesse an der Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens nicht deshalb entfallen, weil im Rahmen des Vorverfahrens bereits eine Schadensfeststellung durch einen Wildschadensschätzer stattgefunden hat (AG Schleiden, Beschl. v. 24.4.2011 – 2 H 3/11). Andererseits soll das selbständige Beweisverfahren unzulässig sein, wenn die Einholung eines Sachverständigengutachtens zwecks Feststellung eines Wildschadens begehrt wird, obwohl bereits ein Gutachten eines öffentlich bestellten Wildschadensschätzers vorliegt (LG Köln, Beschl. v. 15.12.2008 – 38 T 7/08).
4. Vorverfahren und Titel
Die vollstreckbare Ausfertigung wird von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Amtsgerichts erteilt, zu dessen Bezirk die mit dem Vorverfahren befasste Gemeinde gehört, z.B. § 37 Abs. 7, 8 HJagdG.
Autor: RiOLG i.R. Dr. Manfred Cuypers, Duisburg
ZAP 14/2015, S. 759 – 768