1. Arbeitslosengeld: Kein nachträgliches Verschieben der Rahmenfrist
Bei Abschluss arbeitsgerichtlicher Vergleiche, in dem die Parteien für das Arbeitsverhältnis einen späteren Beendigungszeitpunkt vereinbaren, als den, zu dem zunächst gekündigt wurde, und wenn Arbeitnehmer inzwischen Arbeitslosengeld bezogen haben, sind sozialrechtliche Kenntnisse unumgänglich, wir folgender Sachverhalt belegt: Die BA hatte dem Kläger ab dem 1.7.2007 für 360 Tage Arbeitslosengeld bewilligt. Am 14.4.2008 nahm der Kläger eine Arbeit auf. Zu diesem Zeitpunkt umfasste sein Restanspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) noch 77 Tage. Der Kläger meldete sich zum 1.1.2009 erneut arbeitslos und beantragte wiederum Alg. Er wies daraufhin, ihm sei zum 31.12.2008 gekündigt worden, er klage aber deswegen vor dem Arbeitsgericht. Der Kläger erhielt daraufhin von der BA noch Alg für 77 Tage bewilligt. Während des Leistungsbezugs schloss der Kläger mit seinem Arbeitgeber zur Beendigung des Rechtsstreits einen Vergleich: Das Arbeitsverhältnis endete zum 15.4.2009. Bis dahin zahlte der Arbeitgeber den Lohn und stellte den Kläger unwiderruflich von der Arbeitsleistung frei.
Unter Abänderung ihrer ursprünglichen Bewilligung gewährte die BA dem Kläger nunmehr für die Zeit ab dem 16.4.2009 für 77 Tage Alg. Der Kläger vertrat die Auffassung, ihm stehe nach § 142 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 147 SGB III ein Leistungsanspruch von sechs Monaten Alg zu, da er wegen der Beschäftigung in der Zeit vom 14.4.2008 bis zum 15.4.2009 einen neuen Anspruch erworben habe.
Das BSG folgt dem nicht (Urt. v. 11.12.2014 – B 11 AL 2/14 R, NZA 2015, 472). Eine Voraussetzung für den Anspruch auf Alg ist die Erfüllung der Anwartschaftszeit, § 137 Abs. 1 Nr. 3 SGB III. Die Anwartschaftszeit hat grundsätzlich erfüllt, wer in der Rahmenfrist des § 143 SGB III mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis (s. § 24 SGB III) gestanden hat. Ein solches liegt in der Arbeitslosenversicherung auch dann vor, wenn das Arbeitsverhältnis fortbesteht und der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt (weiter-)zahlt, auch wenn der Arbeitnehmer einvernehmlich und unwiderruflich bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses von der Arbeitsleistung freigestellt ist (s. bereits BSG, Urt. v. 24.9.2008 – B 12 KR 22/07 R, NZA 2009, 559).
Die Rahmenfrist beträgt zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg, § 143 Abs. 1 SGB III. Ausgehend von der Arbeitslosmeldung zum 1.1.2009 beginnt die Rahmenfrist grundsätzlich am 31.12.2008. Sie würde, da sie regelmäßig zwei Jahre zurückzurechnen ist, am 1.1.2007 enden. Weil sie gem. § 143 Abs. 2 SGB III nicht in eine vorangegangene Rahmenfrist hineinreicht, in der die oder der Arbeitslose eine Anwartschaftszeit erfüllt hatte, endete sie in dem hier vorliegendem Fall schon am 1.7.2007, also mit Beginn des zuletzt erworbenen Alg-Anspruchs. In der Rahmenfrist vom 1.7.2007 bis zum 31.12.2008 hatte der Kläger lediglich 262 Tage in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden, so dass mit Eintritt der Arbeitslosigkeit und der Arbeitslosmeldung zum 1.1.2009 kein neuer Anspruch auf Alg entstanden ist.
Der spätere Abschluss des gerichtlichen Vergleichs und die Beschäftigung des Klägers zwischen dem 1.1. und 15.4.2009 ändert nach Auffassung des BSG an diesem Umstand (Ablauf der Rahmenfrist) nichts. Die Bundesagentur hat zunächst Alg im Rahmen der Gleichwohlgewährung (§ 157 Abs. 3 SGB III) bezahlt. Diese Zahlung kann die BA zwar korrigieren, in dem sie die Bewilligung von Alg für den Zeitraum, in dem der Betroffene Alg erhält, aufhebt. In diesem Zeitraum hat der Anspruch auf Alg gem. § 157 Abs. 1 SGB III geruht. Ein späteres Ende der Rahmenfrist soll damit aber nicht verbunden sein.
Praxishinweis:
Dieses Ergebnis kann nur dann vermieden werden, wenn in Erwartung einer späteren weiteren Zahlung des Arbeitgebers bei der Arbeitslosmeldung bestimmt wird, dass der Anspruch auf Alg erst später beginnen soll, was nach § 137 Abs. 2 SGB III möglich ist. Ein solches Handeln setzt aber einmal die Fähigkeit voraus, das Ergebnis des arbeitsgerichtlichen Verfahrens realistisch abzuschätzen und zum anderen, dass finanzielle Ressourcen zur Verfügung stehen, um den fraglichen Zeitraum zu überbrücken. Im entschiedenen Fall hätte der Arbeitnehmer daher bei der Arbeitslosmeldung zum 1.1.2009 zugleich entscheiden müssen, Alg erst ab dem 16.4.2009 zu beantragen.
Die persönliche Arbeitslosmeldung wird auch nicht dadurch entbehrlich, dass die Agentur für Arbeit – ohne das Vorliegen dieser Voraussetzung – auf Antrag ein Portable Document U 2 (PD U2) zur Weiterzahlung des deutschen Leistungsanspruchs zum Zweck der Arbeitssuche im Ausland ausstellt (Bay. LSG, Urt. v. 27.1.2015 – L 10 AL 188/14).
Allerdings kann unter der Voraussetzung, dass das Arbeitsverhältnis bis zur Beendigung fortdauert, eine bis zu einer einmonatigen Unterbrechung ohne Vergütungszahlung nach § 7 Abs. 3 SGB IV als versicherungspflichtig unschädlich gelten (Bay. LSG, Urt. v. 27.1.2015 – L 10 AL 333/13; mit Verweis auf BSG, Urt. v. ...