1. Mindestlohngesetz
Erstmalig in der Geschichte der Bundesrepublik wurde seit 1.1.2015 die Verpflichtung zur Zahlung eines gesetzlichen Mindestlohns eingeführt. Arbeitnehmer, die in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen (§§ 1, 20, 22, 24 MiLoG) können den Mindestlohn verlangen, der derzeit 8,50 EUR pro Arbeitsstunde beträgt (§ 1 Abs. 2 S. 1 MiLoG). Das Mindestlohngesetz ist subsidiär zu anderen (gleichhohen oder höheren) Mindestlohnvorgaben nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz und dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, § 1 Abs. 3 MiLoG. Zu dem neuen Gesetz liegen zahlreiche Stellungnahmen vor (s. Däubler NJW 2014, 1924, Bayreuther NZA 2014, 665, ders. NZA 2015, 385, Maaß ZAP F. 17, 1161 sowie das Schwerpunktheft der NZA zum Mindestlohn, 2014, S. 29 ff.). Die staatliche Durchsetzung des allgemeinen Mindestlohns richtet sich nach §§ 14 ff. MiLoG, zuständig für die Kontrolle (Prüfverfahren) sind die Behörden der Zollverwaltung, Bußgeldverfahren können sich anschließen (s. näher Maschmann NZA 2014, 929).
In der Praxis ergeben sich u.a. folgende Probleme:
Abgeltungsklauseln in Aufhebungsverträgen bzw. Beendigungsvergleichen sind gem. § 3 MiLoG insofern unwirksam, als sie sich auf die Mindestlohnansprüche der Arbeitnehmer erstrecken. Es tritt keine Gesamtunwirksamkeit ein. Da Abgeltungsklauseln sich nicht auf den Mindestlohn erstrecken, können in den Grenzen der Verjährung Ansprüche auf Mindestlohn geltend gemacht werden.
Ausschlussklauseln erstrecken sich nach § 3 MiLoG nicht auf den gesetzlichen Mindestlohn. Ob sie insgesamt unwirksam sind, insbesondere wegenVerstoßes gegen die Unklarheitenregel des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB ist derzeit offen. In der Vertragsgestaltungspraxis ist dem – vorsorglich – Rechnung zu tragen.
Unsicherheit besteht in der Praxis über den Ausnahmetatbestand des § 22 Abs. 1 MiLoG für Praktikanten (s. hierzu Maaß ZAP F. 17, S. 1162; Picker/Sausmikat NZA 2014, 942).
Entsprechend der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH und BAG zum entsenderechtlichen Mindestlohn (Nachweise bei Bayreuther NZA 2015, 385 in Fn. 32) dürften Sonderzahlungen, bzw. Zulagen des Arbeitgebers nur dann auf seine Mindestlohnverpflichtung anzurechnen sein, wenn sie nach ihrer Zweckbestimmung Gegenleistung derjenigen Arbeitsleistung darstellt, die Gegenstand der Mindestlohnverpflichtung ist (sog. Normalleistung). Ob dies nach § 2 Abs. 1 MiLoG zwingend auch eine monatliche Auszahlung zum Fälligkeitszeitpunkt verlangt ist offen, entspricht aber derzeit der überwiegenden Ansicht in der Literatur. Hinweise zur Vertragsgestaltungspraxis finden sich etwa bei Maaß (s. ZAP F. 17, S. 1163 ff.).
2. Änderungen im Recht der Pflegeversicherung/PflegeZG und FPfZG
a) Pflegeversicherung
Zum 1.1.2015 ist das erste Gesetz zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 17.12.2004 (BGBl. I, 2014, 2222) in Kraft getreten (Erstes Pflegestärkungsgesetz). Das Gesetz enthält zunächst Leistungsverbesserungen bei der häuslichen Pflege:
Nahezu sämtliche Leistungsbeträge werden erhöht durch Umsetzung der Dynamisierungsklausel in § 30 SGB XI; Flexibilisierung der Nutzung von häuslicher Ersatz- und stationärer Kurzzeitpflege, §§ 39, 42 SGB XI; Leistungsausweitungen der Kombination von Pflegesachleistungen und Tages- bzw. Nachtpflege, § 41 SGB XI; Ausweitung der niedrigschwelligen Betreuungsleistungen in § 45 Abs. 1 SGB XI und Öffnung auch für Pflegebedürftige ohne Einschränkung der Alltagskompetenz, § 45a Abs. 1a SGB XI; Zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen, die in Form neuartiger Kombinationsmöglichkeiten durch § 45b Abs. 3 SGB XI eröffnet werden.
Leistungsverbesserungen treten auch in der stationären Pflege ein durch Dynamisierung der Leistungen und durch die Zur-Verfügung-Stellung zusätzlicher Finanzmittel für Betreuungspersonen in diesen Einrichtungen zur Verbesserung der Betreuungsrelation.
Der Beitragssatz in der Pflegeversicherung erhöht sich um 0,3 %.
Zeitlich mit dem o.g. Gesetz wurde ebenfalls mit Wirkung zum 1.1.2015 durch Art. 8 des Gesetzes zur besseren Vereinbarkeit von Familien, Beruf und Pflege vom 23.12.2014, BGBl. I, S. 2462 in § 44a SGB XI als neue Leistung der Pflegeversicherung ein Pflegeunterstützungsgeld für pflegende Angehörige eingeführt. In Unternehmen mit mehr als 15 Beschäftigten haben alle Arbeitnehmer – wie bisher – gem. § 2 PflegeZG einen Anspruch auf sofortige Freistellung von der Arbeit – und zwar ohne Vorankündigung – für bis zu zehn Arbeitstage. Diese Höchstfrist gilt für jeden Akutfall. Bisher entfiel in diesem Fall der Anspruch auf die Arbeitsvergütung nach § 326 Abs. 1 S. 1 BGB, Vergütung konnte nur aufgrund einer besonderen gesetzlichen Regelung beansprucht werden. Das PflegeZG enthielt keine solche Regelung, ob sich ein solcher Anspruch aus § 616 BGB in allen Fällen herleiten konnte, war fraglich. Seit 1.1.2015 besteht für Beschäftigte i.S.v. § 7 Abs. 1 PflegeZG ein Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld nach § 44a SGB XI. Dessen Höhe orientiert sich am Kinderpflegekrankengeld (§ 45 Abs. 2 S. 3–5 SGB V). Die Zahlung erfolgt aus der Pflegeversicherung der Pflegebedürftigen.
Zur eine...