Ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen Dashcam-Aufzeichnungen in gerichtliche Verfahren zulässig eingeführt und verwertet werden dürfen, wird derzeit in Rspr. und Lit. diskutiert (vgl. z.B. Bachmeier DAR 2014, 15 f.; Balzer/Nugel NJW 2014, 1622 f.; Brenner DAR 2014, 619, 624 f.; Klann DAR 2014, 451 f.; Nugel VRR 2/2015, 4 und aus dem Bereich der Zivil- und Verwaltungsgerichtsbarkeit LG Heilbronn DAR 2015, 211; AG Düsseldorf VRR 2/2015, 11; AG München zfs 2014, 149; 2014, 692; VG Ansbach zfs 2014, 687). Soweit ersichtlich lagen Entscheidungen aus dem Straf-/Bußgeldverfahren bislang noch nicht vor. Die "Lücke" hat nun das AG Nienburg (Urt. v. 20.1.2015 – 4 Ds 155/14, DAR 2015, 280 = StRR 2015, 185) geschlossen. Das AG hat für das Strafverfahren die Zulässigkeit der Verwertung bejaht, wenn anlassbezogen aufgenommen worden ist, also die Dashcam in Bezug auf einen ganz bestimmten Vorgang eingeschaltet wurde. Ergangen ist die Entscheidung in einem Verfahren mit dem Vorwurf der Nötigung in Tateinheit mit fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs (§§ 240, 315c StGB). Das AG hat der Verurteilung des Angeklagten die Aufzeichnung einer Dashcam zugrunde gelegt, die der Geschädigte, der ausgebildeter IT-Administrator und im Datenschutzrecht geschult ist, angefertigt hatte. Dem Geschädigten war kurz vor dem vom AG festgestellten Fahrverlauf das Fahrzeug des Angeklagten durch sehr dichtes Auffahren aufgefallen. Daher hatte er zum Zwecke der Beweissicherung für den etwaigen Fall eines Zusammenstoßes eine neben seinem Innenspiegel angebrachte Dashcam aktiviert. Diese filmte sodann den Straßenbereich vor der Kühlerhaube des Fahrzeugs des Zeugen und speicherte die Aufnahmen digital auf einer SD-Speicherkarte.
Das AG Nienburg (a.a.O.) hat die Aufzeichnung der Dashcam als verwertbar angesehen. Dem stehe weder ein Beweiserhebungs-, noch ein Beweisverwertungsverbot entgegen. Die Anfertigung der Kameraaufzeichnung durch den Geschädigten sei gem. § 4 Abs. 1 BDSG i.V.m. mit einer entsprechenden Anwendung des § 28 Abs. 1 Nr. 1 BDSG zulässig. Fertige ein Zeuge aus aktuellem und konkreten Anlass vorausschauend Beweismittel zum Nachweis der Begründung, Reichweite und Ausschluss einer gesetzlichen Haftung aus einem Unfallereignis und damit im Hinblick auf ein konkret bestimmbares gesetzliches Schuldverhältnis an, so sei dies in jeder Hinsicht mit den im Gesetz genannten Fällen der Erfüllung konkret bestimmter rechtsgeschäftlicher oder rechtsgeschäftsähnlicher Zwecke vergleichbar. Es sei kein Grund ersichtlich, warum in diesem Zusammenhang zwischen rechtsgeschäftlichen bzw. rechtsgeschäftsähnlichen und gesetzlichen Schuldverhältnissen unterschieden werden sollte. Der Betroffene verfolge jeweils konkret abgegrenzte und bestimmbare vermögensbezogene Rechtsangelegenheiten im Zusammenhang mit dem Betrieb seines Kraftfahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr. Die zulässig angefertigte Kameraaufzeichnung dürfe im Strafverfahren auch verwertet werden. Es seien keine Gründe ersichtlich, die einer Verwertung entgegenstünden. Hierbei könne ohne weiteres auf die allgemeinen Grundsätze zur Verwertbarkeit von Beweismitteln mit Spannungsbezug zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht Dritter zurückgegriffen werden (sog. Sphärentheorie des BVerfG NJW 1090, 563, 564 – "Tagebuch"; BGH NJW 1996, 2940 "Hörfalle"). Dem wird man im Hinblick auf die Rechtsprechung des BVerfG (NJW 2009, 3293 = StRR 2009, 356 = VRR 2009, 354) zustimmen können. Ob das allerdings auch gilt, wenn nicht "anlassbezogen" gefilmt/aufgenommen worden ist, kann man nach der Rechtsprechung des BVerfG (a.a.O.) bezweifeln. Dazu werden sich sicherlich alsbald OLG äußern (müssen).
Praxishinweis:
Da die mit der Verwertung von Dashcam-Aufzeichnungen zusammenhängenden Fragen obergerichtlich noch nicht geklärt sind, sollte der Verteidiger der Verwertung in der Hauptverhandlung ggf. widersprechen (vgl. zur Widerspruchslösung Burhoff, HV, Rn. 3491 ff.).