Der BVerfG (Beschl. v. 29.1.2015 – 2 BvR 497/12, StRR 2015, 262) befasst sich nach längerer Zeit mal wieder mit dem sensiblen Bereich der Durchsuchung einer Rechtsanwaltskanzlei (vgl. dazu die Nachw. bei Burhoff, EV, Rn. 1064; demnächst 7. Aufl., Rn. 1379). Im entschiedenen Fall war der Rechtsanwalt selbst Beschuldigter in einem Verfahren wegen der Vorwurfs der Unterhaltspflichtverletzung (§ 170 StGB). Die entsprechende Strafanzeige war von der geschiedenen Ehefrau des Rechtsanwalts erstattet worden. Durchsucht wurden dann die Kanzleiräume der Rechtsanwaltskanzlei, die der Beschuldigte zusammen mit seiner neuen Ehefrau betrieb. Beschlagnahmt worden sind Aktenordner und ein Terminkalender.
Das BVerfG äußert erhebliche Bedenken an der Rechtmäßigkeit der Durchsuchungsanordnung und erinnert: Der besondere Schutz von Berufsgeheimnisträgern (§ 53 StPO) gebiete bei der Anordnung der Durchsuchung einer Rechtsanwaltskanzlei die besonders sorgfältige Prüfung der Eingriffsvoraussetzungen und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (vgl. BVerfGK 17, 550, 556 = BRAK Mitt. 2011, 79). Die Strafverfolgungsbehörden hätten dabei auch das Ausmaß der – mittelbaren – Beeinträchtigung der beruflichen Tätigkeit der Betroffenen zu berücksichtigen. Richte sich eine strafrechtliche Ermittlungsmaßnahme gegen einen Berufsgeheimnisträger in der räumlichen Sphäre seiner Berufsausübung, so bringe dies regelmäßig die Gefahr mit sich, dass unter dem Schutz des Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG stehende Daten von Nichtbeschuldigten, etwa den Mandanten eines Rechtsanwalts, zur Kenntnis der Ermittlungsbehörden gelangen, die die Betroffenen in der Sphäre des Berufsgeheimnisträgers gerade sicher wähnen durften. Dadurch würden die Grundrechte der Mandanten berührt. Der Schutz der Vertrauensbeziehung zwischen Anwalt und Mandant liege darüber hinaus auch im Interesse der Allgemeinheit an einer wirksamen und geordneten Rechtspflege. Diese Belange verlangten eine besondere Beachtung bei der Prüfung der Angemessenheit der Zwangsmaßnahme (vgl. BVerfGE 113, 29, 47 = NJW 20015, 1917).
Hinweis:
Im Einzelfall können die Geringfügigkeit der zu ermittelnden Straftat, eine geringe Beweisbedeutung der zu beschlagnahmenden Gegenstände sowie die Vagheit des Auffindeverdachts der Durchsuchung entgegenstehen (BVerfG, Beschl. v. 29.1.2015 – 2 BvR 497/12, StRR 2015, 262; vgl. a. BVerfGE 115, 166, 198 = NJW 2006, 976). Für die Geringfügigkeit der zu ermittelnden Straftat spricht nach der Rechtsprechung des BVerfG, wenn sie nicht von erheblicher Bedeutung ist. Straftaten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe unter fünf Jahren bedroht sind, können danach nicht mehr ohne weiteres dem Bereich der Straftaten von erheblicher Bedeutung zugerechnet werden (vgl. BVerfGE 124, 43, 64 = NJW 2009, 2431). Davon ist das BVerfG z.B. bei der Unterhaltspflichtverletzung ausgegangen.