1. Verjährungsfragen bei der Pauschgebühr
Wann der Anspruch auf Bewilligung einer Pauschgebühr (§ 51 RVG) entsteht, wenn der Pflichtverteidiger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens tätig war, ist in der OLG-Rspr. umstritten. Die Frage hat jetzt in einem Verfahren eine Rolle gespielt, in dem das KG zur Entscheidung berufen war. Das KG hat (Beschl. v. 15.4.2015 – 1 ARs 22/14, ZAP EN-Nr. 524/2015 = StRR 2015, 237) seine frühere Rechtsprechung, die für den Verteidiger ungünstiger war, aufgegeben. Nach dem Sachverhalt war der Angeklagte am 16.10.2009 verurteilt worden. Das Urteil ist mit der Verwerfung der Revision des Angeklagten durch Beschluss des BGH vom 3.5.2011 rechtskräftig geworden. Der Rechtsanwalt, der Pflichtverteidiger des Angeklagten war, hat eine Pauschgebühr nach § 51 RVG beantragt. Der Bezirksrevisor hatte für die Staatskasse unter Berufung auf die bisherige Rechtsprechung des KG hinsichtlich der Pauschgebühr für das vorbereitende Verfahren und den ersten Rechtszug die Einrede der Verjährung erhoben. Das KG hat eine Pauschgebühr auch für das vorbereitende Verfahren und den ersten Rechtszug bewilligt.
Zur Begründung verweist es darauf, dass die Frage, wann der Anspruch auf Bewilligung einer Pauschgebühr (§ 51 RVG) entstehe, wenn der Pflichtverteidiger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens tätig gewesen sei, in der OLG-Rspr. umstritten sei. Teilweise werde in zum alten Recht der BRAGO ergangenen Entscheidungen dabei auf den ersten in § 16 S. 2 BRAGO (jetzt § 8 Abs. 1 S. 2 RVG) genannten Fälligkeitszeitpunkt abgestellt, also auf eine ergangene Kostenentscheidung oder auf die Beendigung des Rechtszuges. Danach wäre im entschiedenen Fall nach dem erstinstanzlichen Urteil vom 16.9.2009 die dreijährige Verjährungsfrist am 1.10.2010 in Gang gesetzt worden und unter Berücksichtigung ihrer Hemmung (§ 8 Abs. 2 S. 1 und 2 RVG) mit der Entscheidung des BGH am 3.5.2014 bereits vor Eingang des Pauschgebührenantrags abgelaufen gewesen. Die Gegenansicht gehe davon aus, dass der Anspruch auf Bewilligung einer Pauschgebühr erst mit dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens fällig werde und demgemäß vorher nicht der Lauf der Verjährungsfrist beginnen könne. Das KG hat sich für das RVG nun der letzteren Auffassung angeschlossen und seine bisherige Rechtsprechung zum Verjährungsbeginn (zuletzt KG RVGreport 2011, 176 = JurBüro 2011, 254 = StRR 2011, 162) aufgegeben. Zur Begründung hat es darauf abgestellt, dass eine Gebühr, die besondere Schwierigkeiten anwaltlicher Tätigkeit im gesamten Verfahren pauschal honorieren solle, erst nach dessen Abschluss und nicht schon mit Erlass des ersten Urteils oder Beendigung des Rechtszuges bemessen werden kann.
Praxishinweis:
Ebenso wie das KG haben bereits früher einige OLG zur BRAGO entschieden (s. OLG Bamberg JurBüro 1990, 1282; OLG Düsseldorf AGS 2007, 75; OLG Hamm NStZ 1997, 41; OLG Jena AGS 1998, 87; OLG Köln, Beschl. v. 29.12.2005 – 2 ARs 229/05; vgl. auch Burhoff in: Burhoff [Hrsg.], RVG Straf- und Bußgeldsachen, 4. Aufl. 2014, § 51n. 87 ff. m.w.N.). Das ist zutreffend, denn wenn man – wie die Obergerichte – für die Pauschgebühr auf eine Gesamtbetrachtung abstellt, ist allein das der richtige Ansatzpunkt.
Unabhängig von dieser für den Verteidiger günstigen Entscheidung gilt: Der Pflichtverteidiger sollte mit einem Pauschgebührenantrag nicht zu lange warten, sondern ihn zeitnah nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens stellen. Dann kann eine Verjährungsproblematik von vornherein nicht entstehen.
2. Aktenversendungspauschale (Nr. 9003 KV GKG)
Mehrere Entscheidungen haben sich im Berichtszeitraum mit der Frage des Anfalls der Aktenversendungspauschale Nr. 9003 KV GKG befasst, wenn die Akten auf Ersuchen des Rechtsanwalts durch Inanspruchnahme eines externen Postdienstleisters an das Gerichtsfach des Rechtsanwalts bei einem auswärtigen Gericht übersandt worden sind (vgl. u.a. OLG Bamberg, Beschl. v. 5.3.2015 – 1 Ws 87/15, RVGreport 2015, 235; LG Kleve, Beschl. v. 28.4.2015 – 171 Ns-102 Js 229/13-6/14, StRR 2015, 203n [Ls.]; AG Saarbrücken, Beschl. v. 17.4.2015 – 7 Gs 901/15; LG Saarbrücken, Beschl. v. 2.7.2015 – 2 Qs 27/15). In allen entschiedenen Fällen war dem Rechtsanwalt Akteneinsicht jeweils dadurch gewährt worden, dass die Akten jeweils an den Rechtsanwalt durch einen externen Postdienstleister/privaten Kurierdienst versandt und in sein Gerichtsfach eingelegt worden sind. Vom Rechtsanwalt war jeweils die Zahlung der Versendungspauschale i.H.v. 12 EUR (Nr. 9003 KV GKG) gefordert worden. Die dagegen erhobenen Einwände hatten keinen Erfolg.
Alle drei Gerichte weisen in ihren Beschlüssen (a.a.O.) darauf hin, dass nach der Neufassung der Nr. 9003 KV GKG durch das am 1.8.2013 in Kraft getretene 2. KostRMoG vom 23.7.2013 (BGBl. I, S. 2586) der Auslagentatbestand der Nr. 9003 KV GKG als eine "Pauschale für die bei der Versendung von Akten auf Antrag anfallenden Auslagen an Transport- und Verpackungskosten je Sendung" erhoben werde. Alle drei Gerichte stellen zudem darauf ab, dass die Akten in den von ihnen entschiedenen Fällen nicht durch Just...