I. Hinweise
Die Vorratsdatenspeicherung ist seit langem umstritten. Am 15.4.2015 hatte nun (aber) das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) "Leitlinien zur Einführung einer Speicherpflicht und Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten" vorgelegt. Diese sind eingemündet in einen Gesetzentwurf, der sich inzwischen im Gesetzgebungsverfahren befindet (vgl. BT-Drucks. 18/5088). Dieser hat etwa folgenden Inhalt:
- Gespeichert werden dürfen nur im TKG genau bezeichnete Verkehrsdaten, die bei der Telekommunikation anfallen. Das sind insbesondere die Rufnummern der beteiligten Anschlüsse, Zeitpunkt und Dauer des Anrufs, bei Mobilfunk auch die Standortdaten, sowie IP-Adressen einschließlich Zeitpunkt und Dauer der Vergabe einer IP-Adresse.
- Nicht gespeichert werden dürfen: Inhalt der Kommunikation, aufgerufene Internetseiten und Daten von Diensten der elektronischen Post.
- Hinsichtlich der Speicherdauer wird differenziert zwischen den Standortdaten und den weiteren Verkehrsdaten. Für die Standortdaten wird eine Speicherfrist von vier Wochen, i.Ü. eine Speicherfrist von zehn Wochen bestimmt.
- Die Strafverfolgungsbehörden dürfen die gespeicherten Daten zu engdefinierten Strafverfolgungszwecken abrufen. Den Ländern wird ermöglicht, einen Abruf der Verkehrsdaten in ihren Polizeigesetzen zu regeln, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für bestimmte konkrete schwerste Gefahren vorliegen.
- An Schutzmechanismen/-bestimmungen sind u.a. vorgesehen: Schutz von Berufsgeheimnisträgern beim Abruf der Daten durch Verwendungs- und Verwertungsverbote, Datenabruf nur bei schwersten Straftaten, strenger Richtervorbehalt mit Verhältnismäßigkeitsprüfung und ohne Eilkompetenz der Staatsanwaltschaft, Transparenz und Rechtsschutzmöglichkeiten für diejenigen, deren Daten abgerufen werden, hohe Anforderungen an Datenschutz und Datensicherheit bei den speicherverpflichteten TK-Anbietern, Löschverpflichtung nach Ablauf der Höchstspeicherfrist.
II. Ermittlungsverfahren
1. Pflichtverteidigungsfragen
Wegen der erheblichen praktischen Bedeutung soll hier noch einmal auf die Frage der Zulässigkeit der rückwirkenden Bestellung eines Pflichtverteidigers (vgl. Hillenbrand ZAP F. 22, S. 851; Burhoff ZAP F. 22 R, S. 876) zurückgekommen werden. Damit hat sich vor kurzem wieder einmal das OLG Stuttgart befasst (vgl. OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.2.2015 – 1 ARs 1/15, ZAP EN-Nr. 325/2015 = StRR 2015, 182). Hier ging es nach Abschluss des Verfahrens um die Bewilligung einer Pauschgebühr nach § 51 RVG, nachdem die Strafvollstreckungskammer zuvor einen Bestellungsantrag des Rechtsanwalts übersehen hatte. Die Strafvollstreckungskammer hatte den Rechtsanwalt dann "rückwirkend" bestellt. Das OLG hat in seinem Beschluss (a.a.O.) noch einmal darauf hingewiesen, dass nach h.M., der sich das OLG angeschlossen hat, eine rückwirkende Bestellung nicht möglich sei (vgl. nur BGH StRR 2010, 29; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 141 Rn. 8 m.w.N. [im Folgenden kurz: Meyer-Goßner/Schmitt]). Der Ansatzpunkt der Gegenmeinung, dass die Umsetzung der EMRK jedenfalls in Fällen versehentlich unterbliebener Bestellung eine rückwirkende Bestellung gebiete (so etwa OLG Stuttgart StraFo 2010, 465 = StRR 2011, 64; LG Stuttgart Die Justiz 2009, 15 m.w.N.), überzeuge nicht. Das OLG sieht aber einen Ausweg. Diesen sieht es zielführender darin, in den Fällen, in denen das Gericht die Mitwirkung des Verteidigers unter Übergehung seines deutlichen und unübersehbaren und nicht etwa versteckten Beiordnungsantrags für opportun hält, entsprechend der Rechtsprechung des BGH (a.a.O.) eine schlüssige Bestellung zum Zeitpunkt der Antragstellung anzunehmen, wenn die konkreten Umstände des Einzelfalls dies nahelegen. So könne dem Gedanken der unbilligen Vergütung bei vorangegangener Schaffung eines "Vertrauenstatbestands" durch den Tatrichter in angemessener Weise Rechnung getragen werden. Davon ist das OLG dann im entschiedenen Fall ausgegangen, da die Strafvollstreckungskammer den Rechtsanwalt am weiteren Verfahren beteiligt und nie zum Ausdruck gebracht hatte, dass er seine weitere Tätigkeit auf eigenes Kostenrisiko erbringe (zu allem anderen mit zahlreichen Nachweisen aus der teilweise abweichenden landgerichtlichen Rechtsprechung: Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 6. Aufl. 2013, Rn. 2326 ff. [im Folgenden kurz: Burhoff, EV], demnächst 7. Aufl., Rn. 3043; vgl. auch noch BGH NStZ 2008, 117; StraFo 2006, 456; 2015, 37).
Praxishinweis:
Unabhängig von dem (Aus-)Weg über eine konkludente Bestellung: Jeder Rechtsanwalt sollte, wenn er seine Bestellung als Pflichtverteidiger beantragt hat, darauf achten, dass über den Antrag vor Abschluss des Verfahrens – also spätestens in der Hauptverhandlung – entschieden wird. Die bis dahin erbrachten Tätigkeiten gehen nicht verloren. Da hilft § 48 Abs. 6 S. 1 RVG, und zwar ggf. auch bei der Pauschgebühr (vgl. § 51 Abs. 1 S. 4 RVG).
2. Durchsuchungsanordnung
Im Berichtszeitraum haben sich zwei Entscheidungen des BVerfG mit den Anordnungsvoraussetzungen für eine Durchsuchung befasst.
a) Anordnung der Durchsuchung einer Rechtsanwaltskanzlei
Der BVerfG (Beschl. v. 29.1.2015 – 2 ...