a) Spielraum des verweisenden Gerichts
Der Beschluss des BGH 19.1.1993 ist von der Rechtsprechung immer weiter "fortentwickelt" worden. Tatsächlich wird die "Bindungswirkung" des § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO zunehmend durchlöchert. Die Begründungen, mit der diese Bindungswirkung verneint wird, sind aber bisweilen so einzelfallbezogen, dass man kaum eine Systematik feststellen kann. Was ein Oberlandesgericht als "willkürlich" ansieht, wird von einem anderen Oberlandesgericht noch gebilligt. Das dürfte in erster Linie darauf zurückzuführen sein, dass in den Bestimmungsverfahren die Sachverhalte, die für die Zuständigkeit nach den gesetzlichen Bestimmungen maßgeblich sind, häufig trotz § 281 Abs. 2 S. 1 ZPO nicht recht aufgeklärt sind. Typisch hierfür sind Zuständigkeitskonflikte zwischen den Insolvenzgerichten in den "Bestattungsfällen" (z.B. OLG Hamm, Beschl. v. 15.2.2013 – I-32 SA 1/13; AG Göttingen, Beschl. v. 27.11.2009 – 74 IN 271/09). Großzügig wird andererseits verfahren, was die "Unzuständigkeitserklärung" selbst anbelangt, sei es, dass sie als "vertretbar" apostrophiert wird, sei es in Auseinandersetzung mit der Frage, ob sie einer "herrschenden" Meinung entspricht oder nicht. So begründet Übergehen der "einhelligen obergerichtlichen Rechtsprechung" Willkür (OLG München, Beschl. v. 5.3.2015 – 34 AR 35/15), aber nicht, wenn das verweisende Gericht der entgegenstehenden "herrschenden" Meinung aus rechtlichen Erwägungen nicht folgt (OLG München, Beschl. v. 28.10.2011 – 34 AR 411/11). Nach OLG Karlsruhe (Beschl. v. 9.5.2011 – 9 AR 13/11) ist die Verweisung an das Landgericht auf eine in seine Zuständigkeit fallende Widerklage hin durch das für die Klage ausschließlich zuständige Amtsgericht gem. § 506 ZPO "zumindest vertretbar".
b) Rechtliches Gehör
Verletzung des rechtlichen Gehörs im Verfahren gem. § 281 ZPO kann Willkür indizieren. Die vor Erlass eines Verweisungsbeschlusses eines Insolvenzgerichts unterlassene Anhörung des Insolvenzschuldners zu den Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 InsO kann nicht damit begründet werden, dass Ermittlungen beim Insolvenzschuldner zu einer Gefährdung des Insolvenzverfahrens geführt hätten (OLG Celle, Beschl. v. 27.9.2011 – 4 AR 51/11). Doch genügt es, dass sich die Begründung für die Verweisung aus dem Akteninhalt ergibt, wenn der Beklagte Gelegenheit hatte, zwar nicht zum Verweisungsantrag des Klägers, aber zu einem Hinweis des Gerichts Stellung zu nehmen (BGH, Beschl. 26.8.2014 – X ARZ 275/14 – nach Vorlage durch OLG Köln, Beschl. v. 5.6.2014 – I-8 AR 68/14).
c) Gerichtsbestimmung bei Rechtswegfragen
Soweit zwei Gerichte unterschiedlicher Rechtswege ihre Zuständigkeit verneint haben, obliegt die Bestimmung des zuständigen Gerichts demjenigen obersten Gerichtshof des Bundes, der zuerst darum angegangen wird. In diesem Fall sieht der BGH (Beschl. v. 14.5.2013 – X ARZ 167/13) für die Durchbrechung der Bindungswirkung des § 17a Abs. 2 S. 3 GVG kaum Raum, weil die Frage des Rechtsweges durch Rechtsmittel klärbar sei. Anders – trotz des unterschiedlichen Rechtszuges – bei Zuständigkeitskonflikten zwischen Amtsgericht – Familiengericht – und Landgericht (BGH, Beschl. v. 5.12.2012 – XII ZB 652/11). Dann wird im Verfahren der Gerichtsbestimmung entschieden, ob eine Familiensache vorliegt.