1. Mandatsverträge
Seit der höchstrichterlichen Anerkennung ihrer (Teil-)Rechtsfähigkeit in der "Weißes-Ross"-Entscheidung (vgl. oben II.), wird in der Rechtsanwalts-GbR von grundlegend anderen Vertragsbeziehungen ausgegangen als zuvor. Nahm man auf der Grundlage der individualistischen Theorie an, dass wenn einer der Gesellschafter einen (Anwalts-)Vertrag abschließe, dieser sowohl mit dem Handelnden selbst als auch mit allen anderen in der GbR zusammengeschlossenen Rechtsanwälten in gesamthänderischer Verbundenheit zustande käme (sog. Doppelverpflichtungslehre), wird nach heutiger Auffassung unmittelbar ein Mandat der Gesellschaft selbst begründet (BGHZ 193, 198 f.; BGH NJW-RR 2006, 1071, 1072). Erst Recht wird die GbR daher Vertragspartnerin der zur Förderung der gemeinschaftlichen Berufsausübung geschlossenen Miet-, Kauf- und sonstiger Verträge. Individuelle Mandate einzelner Gesellschafter stellen Sonderfälle dar, was sich dogmatisch mit einer Kombination aus dem von der Rechtsprechung zur Doppelverpflichtungslehre entwickelten Grundsatz vom Gesamtmandat und dem allgemeinen Grundsatz vom unternehmensbezogenen Geschäft begründen lässt (vgl. vertiefend Markworth NJW 2015, 2152 ff.). Als Konsequenz hieraus vereinnahmt die Gesellschaft auch unmittelbar selbst die Mandatshonorare. Aus Sicht des anwaltlichen Berufsrechts bestehen gegenüber dieser dogmatischen Konstruktion keine Bedenken: Anders als die Anwaltsgesellschaft, erbringt die GbR nicht selbst Rechtsdienstleistungen, sondern schafft nur die erforderlichen rechtlichen und tatsächlichen Rahmenbedingungen einer Rechtsberatung durch ihre Gesellschafter und bedarf daher keiner eigenen Berufszulassung (BGHZ 124, 224, 226). Es ist heute anerkannt, dass die oben dargestellten Grundsätze auch für interprofessionelle Gesellschaften gelten (vgl. Markworth NJW 2015, 2152, 2155).
2. Geschäftsführung und Vertretung
Das Gesetz sieht für die GbR eine Gesamtgeschäftsführung und -vertretung aller Gesellschafter vor (§§ 709 Abs. 1, 714 BGB). Im Ausgangspunkt dürfen dementsprechend nur alle Gesellschafter gemeinsam die Geschäfte der GbR führen und sie nach außen vertreten, was die Steuerungsfähigkeit der Gesellschaft erheblich einschränkt. Deshalb ist auch kleineren Gesellschaften unbedingt zu empfehlen, mittels einer gesellschaftsvertraglichen Regelung (vgl. § 710 BGB) einen geschäftsführungs- und vertretungsbefugten Kanzleimanager einzusetzen und diesem die Büroorganisation, d.h. die Beschaffung von Büromaterialien, die Mitarbeiterverwaltung und das Kanzleimarketing, zu überantworten.
Wünschenswert für die Gesellschafter wäre es, wenn sich ein System getrennter Zuständigkeitsbereiche und gestaffelter Verantwortungen auch im beruflichen Bereich etablieren ließe. Schließlich besteht ein gemeinsames Interesse daran, dass nicht jeder Anwaltsvertrag die Zustimmung aller Gesellschafter voraussetzt, gleichzeitig aber auch angestellte Rechtsanwälte oder Juniorpartner nicht nach eigenem Gutdünken Gesellschaftsmandate akquirieren, bearbeiten und Honorarforderungen geltend machen können.
Hinweis:
Eine diesem Interesse entsprechende gesellschaftsvertragliche Klausel zu entwerfen, bereitet jedoch erhebliche Schwierigkeiten. Zumindest eine Regelung, durch die einzelne Gesellschafter vollständig von der Geschäftsführung und Vertretung im beruflichen Bereich ausgeschlossen würden, wäre – wie sich insbesondere § 6 Abs. 2 PartGG entnehmen lässt – unzulässig. Auch einem bei der Gesellschaft angestellten Rechtsanwalt darf nicht jeglicher Mandantenkontakt verwehrt werden (vgl. BGHZ 65, 238).
Darüber hinausgehend wird von maßgeblichen Literaturstimmen vertreten, dass den GbR-Gesellschaftern hinsichtlich ihrer Berufsausübung sogar zwingend eine Einzelgeschäftsführungs- und -vertretungsbefugnis zukommen müsse (Brüggemann, in: Feuerich/Weyland, BRAO, 9. Aufl. 2016, § 59a Rn 16; Michalski/Römermann, a.a.O., B Rn 128 f.; v. Wedel, in: Hartung/Scharmer, BORA/FAO, 6. Aufl. 2016, Vor § 59c Rn 26 f.; Koch, Interdisziplinäre Zusammenarbeit von Wirtschaftsprüfern, Steuerberatern und Rechtsanwälten in Deutschland, 2004, S. 226 f., 229 f.). Andernfalls wäre das aus dem Unabhängigkeitspostulat (§§ 1, 43a BRAO und § 1 BORA) abzuleitende Gebot der rechtsanwaltlichen Weisungsfreiheit gefährdet (vgl. nur Michalski/Römermann, in: Henssler/Streck, a.a.O., B Rn 128 f.; Koch, a.a.O., S. 229 f.). Diese Position erweist sich bei näherer Betrachtung als unhaltbar: Unklar ist bereits, weshalb die zwingende Geschäftsführungs- und -vertretungsbefugnis auf der Grundlage der weitgehenden Literaturauffassung zwar Gesellschaftern, nicht aber Angestellten und freien Mitarbeitern der Gesellschaft zugutekommen sollte, obwohl auch für letztere unstreitig das Gebot der beruflichen Unabhängigkeit gilt (vgl. § 26 Abs. 1 S. 2 Buchst. a BORA). Konsequenterweise müsste man daher Angestellten und freien Mitarbeitern ebenfalls zugestehen, selbstständig Mandate der Gesellschaft begründen zu dürfen, was zur Folge hätte, dass zwischen Gesellschaftern und Angestellten kaum mehr zu differenzieren ...