1. Zusammenspiel von Haftpflicht- und Kaskoversicherung

Die Kraftfahrtversicherung ist keine Einheitsversicherung, sondern die Zusammenfassung mehrerer Versicherungsverträge. Gefahrerhöhungen, Anzeigepflicht- und Obliegenheitsverletzungen sind somit für jede Sparte getrennt zu prüfen (OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.1.2013 – 12 U 117/12, r+s 2013, 121).

Wenn ein Versicherungsnehmer vorläufige Deckung für eine Vollkaskoversicherung und Haftpflichtversicherung beantragt, besteht auch Versicherungsschutz in der Vollkaskoversicherung, obgleich die elektronische Versicherungsbestätigung lediglich für die Haftpflichtversicherung ausgestellt wird. Die Rechtsprechung zur Aushändigung einer Doppelkarte ist insoweit übertragbar, der Versicherer muss den Versicherungsnehmer eindeutig und unmissverständlich darauf hinweisen, wenn der Versicherer die vorläufige Deckung für den Kaskobereich nicht vereinbaren will (KG, Urt. v. 11.2.2014 – 6 U 64/12, VersR 2015, 1285 = SP 2015, 843).

2. Grobe Fahrlässigkeit

Bei grober Fahrlässigkeit ist der Versicherer berechtigt, „seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen “ (§ 81 Abs. 2 VVG).

a) Rotlichtverstoß

Bei einem Rotlichtverstoß ist eine Kürzung der Kaskoentschädigung auf 50 % angemessen (OLG Naumburg, Urt. v. 3.4.2009 – 4 U 133/08, SP 2010, 227; LG Münster, Urt. v. 20.8.2009 – 15 O 141/09, zfs 2009, 641 = r+s 2009, 501; LG Tübingen, Urt. v. 26.4.2010 – 4 O 326/09, zfs 2010, 394).

b) Fahruntüchtigkeit

aa) Leistungskürzung auf Null bei absoluter Fahruntüchtigkeit

  • Bei absoluter Fahruntüchtigkeit (2,7 ‰) ist eine Kürzung auf Null gerechtfertigt, es kommt jedoch stets auf den Einzelfall an (BGH, Urt. v. 22.6.2011 – IV ZR 225/10, VersR 2011, 1037).
  • Bei 1,29 ‰ kann eine Kürzung um 100 % berechtigt sein, wenn der Verschuldensgrad als sehr vorsatznah zu beurteilen ist (OLG Stuttgart, Beschl. v. 18.8.2010 – 7 U 102/10, NZV 2011, 296).
  • Kürzung auf Null bei 1,1 ‰ (LG Saarbrücken, Urt. v. 18.2.2015 – 14 O 108/14, VRR 12/2015, 11).

bb) Leistungskürzung bei relativer Fahruntüchtigkeit

  • Das OLG Saarbücken zieht bei relativer Fahruntüchtigkeit, deren Grad der absoluten Fahruntüchtigkeit stark angenähert ist (hier: 0,93 ‰), eine Kürzung des Ersatzes des Kaskoschadens um 70–75 % in Betracht (Urt. v. 30.10.2014 – 4 U 165/13, ZAP EN-Nr 282/2015 = NJW-RR 2015, 411).
  • Das OLG Hamm hält bei einer Blutalkoholkonzentration von 0,59 ‰ eine Kürzung um 50 % für gerechtfertigt (Urt. v. 25.8.2010 – 20 U 74/10, VersR 2011, 206).
  • Bei relativer Fahruntüchtigkeit (0,55 ‰) erfolgt eine Kürzung der Entschädigung um 25 % (OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.12.2010 – 4 U 101/10, VersR 2011, 1388 = zfs 2012, 26).
  • Das LG Bonn hält einen Abzug von 75 % für zulässig, wenn der Versicherungsnehmer einem erkennbar alkoholbedingt fahruntüchtigen Fahrer das versicherte Fahrzeug überlässt (LG Bonn, Urt. v. 31.7.2009 – 10 O 115/09, DAR 2010, 24 = SP 2010, 227).

c) Missachtung der Durchfahrtshöhe

  • Bei Missachtung der Durchfahrtshöhe einer Unterführung mit einem Mietfahrzeug ist eine Kürzung um 50 % angemessen (LG Hagen, Beschl. v. 1.8.2012 – 7 S 31/12, r+s 2013, 578 = SP 2013, 119).
  • Wenn die begrenzte Höhe der Einfahrt eines Parkhauses missachtet und ein Fahrzeugschaden an einem gemieteten Lkw verursacht wird, ist die hälftige Kürzung der Entschädigung angemessen (LG Konstanz, Urt. v. 26.11.2009 – 3 O 119/09, zfs 2010, 214).

d) Fahrzeugschlüssel

Wenn Fahrzeugschlüssel in einem nicht abgeschlossenen Aufenthaltsraum zurückgelassen werden, ist eine Kürzung um 50 % gerechtfertigt (OLG Koblenz, Beschl. v. 9.7.2012 – 10 U 1292/11, SP 2012, 408).

3. Nutzungsentschädigung

Auch bei Verzug ist keine Nutzungsentschädigung zu leisten (OLG Hamm, Urt. v. 15.12.2010 – 20 U 108/10, NJW-RR 2011, 676).

4. Vandalismusschäden

Vandalismusschäden sind nicht Gegenstand der Teilkaskoversicherung, auch wenn diese Schäden aus Frust bei einem misslungenen Diebstahlversuch entstehen (BGH, Urt. v. 24.11.2010 – IV ZR 248/08, ZAP EN-Nr. 76/2011 = NZV 2011, 244).

5. Merkantiler Minderwert

Ein merkantiler Minderwert ist in der Kaskoversicherung nicht zu erstatten. Die entsprechende Klausel in den AKB ist wirksam, sie ist weder überraschend noch unklar (OLG Hamm, Urt. v. 13.6.2012 – 20 U 151/11, VersR 2013, 491).

6. Kausalitätsgegenbeweis

Der Kausalitätsgegenbeweis gem. § 28 Abs. 3 S. 1 VVG ist bei Falschangaben zur Laufleistung geführt, wenn der Versicherer im Zeitpunkt seiner Entscheidung das Ergebnis der Schlüsselauslesung und damit die tatsächliche Laufleistung bereits kannte (KG, Beschl. v. 9.11.2010 – 6 U 103/10, VersR 2011, 789).

7. Arglist

  • Wenn der Versicherungsnehmer nach einem behaupteten Diebstahl die Frage nach Vorschäden wahrheitswidrig verneint, obgleich das Fahrzeug wenige Monate zuvor zweimal einen Unfall erlitten hatte, liegt eine zur Leistungsfreiheit führende Arglist vor (OLG Naumburg, Urt. v. 16.2.2012 – 4 U 32/11, r+s 2013, 16).
  • Falsche Angaben zum Kaufpreis rechtfertigen den Vorwurf der arglistigen Täuschung mit der Folge der Leistungsfreiheit des Versicherers (OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.7.2014 – 4 U 102/13, SP 2014, 421; KG, Beschl. v. 17.10.2012 – 6 U 82/12, r+s 2015, 64 [8.000,00 EUR statt 9.800,00 EUR]).
  • Arglist liegt auch dann vor, wenn unrichtige Angaben zur Laufleistung des gestohlenen Fahrzeugs gemacht werden (KG, Beschl. v. 3.7.2013 – 6 U 33/12, r+s 2015, 64 [77.000 km statt 97.000 km...

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