Um eine wegweisende Grundsatzentscheidung (so zutreffend Deutscher in StRR 4/2017, 9) handelt es sich bei dem zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehenen Urteil des BGH vom 6.10.2016 (2 StR 46/15, NJW 2017, 1332 = StraFo 2017, 103 = StRR 4/2017, 10) betreffend eine tagsüber ohne richterliche Anordnung durchgeführte Durchsuchung. Die ehemalige Lebensgefährtin des Angeklagten hatte die Polizei darüber informiert, dass in der Wohnung des sich in Untersuchungshaft befindenden Angeklagten noch ein Koffer mit wichtigen Dokumenten aufbewahrt sei. Die um 16.40 Uhr hierüber informierte Staatsanwältin nahm "Gefahr im Verzug" an und ordnete um 16.50 Uhr das gezielte Suchen des dabei dann auch aufgefundenen Koffers an. Der zuvor um 16.45 Uhr erreichte Richter im Bereitschaftsdienst hatte den Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses ohne Vorlage der Akte abgelehnt. Die Revision des Angeklagten war hinsichtlich der hiervon betroffenen Fälle erfolgreich. Der BGH entscheidet im Revisionsverfahren drei für die Praxis wichtige Fragen:
1. Bisher hatte der BGH nicht entschieden, ob die vor allem zu Fällen einer Verletzung der §§ 136 Abs. 1 S. 2, 163a Abs. 4 S. 2 StPO entwickelte Widerspruchslösung auch für unselbstständige Beweisverwertungsverbote wegen Fehlern bei der Durchsuchung oder Beschlagnahme gilt (BGHSt 51, 285, 296 f. = NJW 2007, 2269; zur Widerspruchslösung Burhoff, Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 8. Aufl. 2016, Rn 3433 [im Folgenden kurz: Burhoff, HV, Rn]). Das hat er nun verneint. Seine Auffassung begründet er damit, dass eine Dispositionsmacht der Verteidigung über den auf diese Weise erfassten Sachbeweis, anders als bezüglich der Äußerungen des Beschuldigten, die durch verfahrensfehlerhafte Vernehmungen oder durch Gesprächsüberwachungen im Vorverfahren erlangt wurden, grundsätzlich nicht besteht. Auf einen Widerspruch gegen die Beweisverwertung komme es daher nicht an.
2. Die bei der Durchsuchung des Koffers aufgefundenen Beweismittel hat der BGH (a.a.O.) wegen eines Beweisverwertungsverbots als unverwertbar angesehen. Die durchgeführte Durchsuchung sei wegen Missachtung des Richtervorbehalts rechtswidrig gewesen. Gefahr im Verzug habe nicht vorgelegen. Regelmäßig sei der Versuch zu unternehmen, eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Haben die Ermittlungsbehörden den zuständigen Ermittlungs- oder Eilrichter wie hier mit der Sache befasst, sei für ihre Eilkompetenz kein Raum mehr. Dies gelte unabhängig davon, aus welchen Gründen die richterliche Entscheidung über den Durchsuchungsantrag unterbleibt. Sie könne (nur) durch nachträglich eintretende oder neu bekannt werdende tatsächliche Umstände, die sich nicht aus dem Prozess der Prüfung des Durchsuchungsantrags und der Entscheidung darüber ergeben, neu begründet werden (BVerfGE 139, 245, 269 ff. = NJW 2015, 2787 = StRR 2015, 381 [Laudon]). Das sei hier nicht der Fall gewesen.
3. Der BGH (a.a.O.) sieht den Verstoß auch als einen schwerwiegenden Verstoß an (BVerfGE 113, 29, 61 = NJW 2004, 2363). Dem Aspekt eines möglichen hypothetisch rechtmäßigen Ermittlungsverlaufs (BGH NStZ 2004, 449) komme bei grober Verkennung des Richtervorbehalts ohnehin keine Bedeutung zu (BGHSt 51, 285, 295 = NJW 2007, 2269; BGH NStZ 2012, 104 = StRR 2012, 61 m. Anm. Strittmatter/Schubert; StV 2016, 539 = StRR 7/2016, 11 m. Anm. Burhoff). Hier komme hinzu, dass es in dem in Rede stehenden Fall eine verbindliche und abschließende richterliche Entscheidung gibt, ohne Aktenvorlage die beantragte Maßnahme abzulehnen. Diese Entscheidung sei von der Staatsanwaltschaft zu respektieren und verbiete den Rückgriff auf einen "hypothetischen" anderen Ermittlungsrichter, der dem Antrag stattgegeben hätte.
Hinweis:
Der Entscheidung ist zuzustimmen. Verteidiger müssen also zukünftig der Verwertung von Beweismitteln aus Durchsuchungen unter Verstoß gegen den Richtervorbehalt nicht mehr ausdrücklich widersprechen, um die Verwertung zu verhindern und die entsprechende Verfahrensrüge zu erhalten. Gleichwohl sind entsprechende Hinweise auf die Rechtswidrigkeit der Durchsuchung im Verfahren schon deshalb in aller Regel sinnvoll, weil hierdurch das Gericht zu einer entsprechenden Aufklärung gezwungen wird.
Auch den Ausführungen des BGH zur Ablehnung des Rückgriffs auf einen hypothetischen rechtmäßigen Ermittlungsverlauf jedenfalls bei schwerwiegenden Verstößen gegen den Richtervorbehalt in Form der Ablehnung der richterlichen Entscheidung ohne Aktenvorlage und bei offensichtlichem Fehlen einer Gefahr ist beizupflichten. Allerdings wäre die Entscheidung noch überzeugender gewesen, wenn der 2. Strafsenat auch darauf eingegangen wäre, dass er sich in zwei Entscheidungen aus dem Jahr 2016 widersprüchlich zur Berücksichtigung des hypothetischen Ermittlungsverlaufs beim einschlägigen Verstoß gegen den Richtervorbehalt geäußert hat: Einmal hat er ihn berücksichtigt und ein Verwertungsverbot abgelehnt (NStZ 2016, 551 m. Anm. Schneider = StRR 6/2016, 11 m. Anm. Hillenbrand), im zweiten Fall hat er dies a...