I. Hinweis
Beschlossen worden ist inzwischen das "Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens" (vgl. BT-Drucks 18/11277; zum Entwurf ZAP F. 22 R, S. 995). Die erste Lesung hatte am 9.3.2017 im Bundestag stattgefunden (vgl. BT-Plenarprotokoll 18/221, S. 22142D–22150). Der Entwurf war dann zur weiteren Beratung an den Rechtsausschuss überwiesen worden. Die 2. und 3. Lesung haben am 22.6.2017 stattgefunden. Das Gesetz, das noch im Bundesrat beraten werden muss und demgemäß noch nicht im BGBl. verkündet ist, ist "ergänzt" worden durch weitreichende Neuerungen/Änderungen der Überwachungsmöglichkeiten. Zulässig sind demnächst z.B. die Onlinedurchsuchung und die sog. Quellen-TKÜ. Auch der WhatsApp-Verkehr kann überwacht werden.
Hinweis:
Über die Gesetzesänderungen werden wir entsprechend in einem eigenen Beitrag informieren.
II. Ermittlungsverfahren
Vor einigen Jahren hat es eine Flut von Entscheidungen zu Durchsuchungsfragen gegeben. Diese Flut ist inzwischen abgeklungen. Berichtet werden kann nun aber mal wieder über drei neuere Entscheidungen, die all jene Fragen, um die es bei der Anordnung einer Durchsuchungsmaßnahme häufig geht, noch einmal in den Fokus rücken.
1. Begrenzung des Tatzeitraums in der Durchsuchungsanordnung
Eine Durchsuchungsanordnung muss Anhaltspunkte für eine Begrenzung des Tatzeitraums enthalten. Andernfalls ist der Rahmen der Durchsuchung nicht hinreichend präzisiert, so dass der Durchsuchungsbeschluss seiner Begrenzungsfunktion nicht gerecht wird. So hat vor kurzem (noch einmal) das BVerfG entschieden (vgl. Beschl. v. 4.4.2017 – 2 BvR 2551/12, WM 2017, 900 = ZAP-EN-Nr. 299/2017; vgl. auch Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 7. Aufl. 2015, Rn 1390 ff. [im Folgenden kurz: Burhoff, EV, Rn]).
Die Verfassungsbeschwerde richtete sich gegen die Anordnung der Durchsuchung der Geschäftsräume eines im Bereich der Vermögensverwaltung tätigen Unternehmens U. Das Vermögen der Kunden des Unternehmens war vornehmlich bei der H. AG angelegt. Wohl im Jahr 2010 hatte das Land NRW eine Daten-CD mit Informationen über deutsche Staatsbürger, die Kunden der H. International waren und Erträge aus den dortigen Vermögensanlagen gegenüber dem Finanzamt nicht erklärt hatten, erworben. Weiterhin beinhaltet die Datensammlung bankinterne Aufzeichnungen über Lebensversicherungspolicen der L. International, in welche deutsche Kapitalanleger investiert hatten. Es wurde festgestellt, dass eine Vielzahl der Betroffenen auch Geschäftsbeziehungen zu dem Unternehmen U. unterhielt. Aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse leitete die Steuerfahndung Strafverfahren wegen des Verdachts der Beihilfe zur Steuerhinterziehung gegen mehrere Mitarbeiter der U. ein. Das AG Bochum ordnete im Oktober 2011 im Rahmen eines gegen sieben Mitarbeiter geführten Verfahrens die Durchsuchung der Geschäftsräume sämtlicher Niederlassungen der U. nach § 103 StPO an. Am 14.11.2011 wurden die Geschäftsräume aller Niederlassungen der U. durchsucht. Zahlreiche Unterlagen wurden beschlagnahmt und Daten durch Spiegelung von Laufwerken gesichert. Die U. hat Beschwerde eingelegt, die vom LG verworfen worden ist.
Die Verfassungsbeschwerde hatte Erfolg. Nach Auffassung des BVerfG (a.a.O.) wurde der amtsgerichtliche Durchsuchungsbeschluss den verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht gerecht, weil er keine Angaben zum Tatzeitraum enthielt. Eine ausdrückliche Angabe des Tatzeitraums enthalte der Beschluss nicht; es werde lediglich angegeben, es bestünden Anhaltspunkte für "über Jahre hinweg" betriebene Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Auch die Beschreibung der aufzufindenden Beweismittel lasse keinen Schluss auf einen Tatzeitraum zu, hier werde lediglich die Art der Unterlagen bezeichnet, nicht jedoch der Zeitraum genannt, aus dem sie stammen oder für den sie relevant seien. Auch die Sachverhaltsschilderung lasse mit der Bezeichnung von Umständen, die den Tatverdacht begründen sollen, an keiner Stelle erkennen, ab welchem Zeitpunkt die Beschuldigten mit den Beihilfehandlungen begonnen haben sollten. Der Angabe, dass ein Beschuldigter F. im Jahr 2006 zur U. wechselte, lasse sich auch keine Beschreibung des Tatzeitraums entnehmen. Eine Begrenzung sei diesbezüglich höchstens für die ihm selbst vorgeworfenen Taten vorhanden, nicht jedoch für die der weiteren sechs Beschuldigten. Irgendein Anhaltspunkt dafür, dass erst mit dem Wechsel des Beschuldigten F. auch die anderen Beschuldigten mit den vorgeworfenen Handlungen begonnen hätten, sei im Durchsuchungsbeschluss nicht enthalten. Der Tatbeitrag des Beschuldigten F. werde in keiner Weise hervorgehoben, vielmehr werde er – neben drei weiteren Beschuldigten – lediglich als Beispiel für die personelle Verknüpfung zwischen der U. und der H. AG genannt.
Hinweis:
Die Vorgaben des BVerfG zu den Anforderungen an die Anordnung einer Durchsuchungsmaßnahme (bei einem Dritten nach § 103 StPO) sind – zum Glück – streng (vgl. Burhoff, EV, Rn 1390 ff.). Daher hatte hier auch der Rettungsversuch des Generalbundesanwalts (GBA) in seiner Stellungnahme zu der Verfassungsbeschwerde...