Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) hat die geänderte Einstellungspraxis bei der Hamburger Staatsanwaltschaft kritisiert. Weil bei ihr männliche Staatsanwälte unterrepräsentiert sind, will sie bei Einstellungen Männern den Vorrang geben, sofern sie die gleiche Eignung, Befähigung und fachliche Leistung wie ihre weiblichen Mitbewerber aufweisen.
Dies entspreche nicht dem Grundgesetz, erklärte die Präsidentin des djb Prof. Dr. Maria Wersig: "Art. 33 Abs. 2 GG und Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG verbieten im Grundsatz, das Geschlecht als Anknüpfungspunkt für die Einstellungsentscheidung zu nehmen. Soweit es im Falle eines Leistungspatts Ausnahmen für Frauen gibt, sind diese auf der Grundlage von Art. 3 Abs. 2 GG nur deshalb zu rechtfertigen, weil Frauen in Staat und Gesellschaft immer noch strukturell benachteiligt sind. Eine solche faktische Benachteiligung ergibt sich für Männer nicht schon daraus, dass sie in einer Behörde zahlenmäßig unterrepräsentiert sind."
Eine Unterrepräsentanz, die nicht aus struktureller Benachteiligung resultiere, entspreche nicht den Anforderungen des Art. 3 Abs. 2 GG. So hätten männliche Examensabsolventen in anwaltlichen Großkanzleien und in der Privatwirtschaft bei vergleichbarer Qualifikation erheblich bessere Einstellungschancen. Zudem erwarte sie dort ein Mehrfaches an Einstiegsgehalt – bei erheblich größeren Steigerungsmöglichkeiten im Laufe der Jahre. Frauen würden hingegen trotz ggf. besserer Examensergebnisse im nichtstaatlichen Sektor noch vielfach benachteiligt. Hinzu komme, dass Frauen ungeachtet der bescheideneren Verdienstmöglichkeiten im öffentlichen Dienst an den generell besseren Möglichkeiten der Vereinbarkeit von Beruf und Familie interessiert sind.
Angesichts der immer noch klassischen Rollenverteilung in den meisten Familien müsse der Staat ein Interesse daran haben, dass die für die nachwachsende Generation vorrangig zuständigen Frauen nicht wiederum benachteiligt würden. "Es ist erst gut 25 Jahre her, dass im öffentlichen Dienst mit Hilfe von Gleichstellungsgesetzen die jahrzehntelange Praxis informeller Männerquoten offiziell gestoppt wurde. Hamburg befindet sich mit seinem Gleichstellungsgesetz und seiner Praxis auf einem Irrweg", resümiert die djb-Präsidentin.
Der Juristinnenbund hatte sich erst im vergangenen Jahr vehement gegen Kritik an der steigenden Frauenquote in der Justiz zur Wehr gesetzt (vgl. ZAP Anwaltsmagazin 10/2017, S. 500).
[Quelle: djb]