a) Allgemeines
Die Haftung nach §§ 823 ff. BGB ist Verschuldenshaftung. Als Anspruchsgrundlagen gegen den Fahrzeugführer kommen vor allem § 823 Abs. 1 BGB und § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. den Geboten und Verboten der StVO und StVZO in Betracht, letztere allerdings nur, soweit sie Schutzgesetzcharakter haben.
Sind Fahrer und Halter nicht identisch, kann der Halter nur aus § 831 BGB haften. Der Fahrer muss dann Verrichtungsgehilfe des Halters sein, was allerdings i.d.R. nur bei Berufskraftfahrern oder sonstigen Arbeitnehmern, die aus beruflichen Gründen das Kfz ihres Arbeitgebers benutzen, der Fall sein kann. Wer Verrichtungsgehilfe ist und ob der Entlastungsbeweis zu führen ist, richtet sich nach den allgemeinen Regeln, die zu § 831 BGB entwickelt worden sind.
b) Verschulden
Hierunter fällt Vorsatz und Fahrlässigkeit (§ 276 BGB). Maßgebend ist die Sorgfalt eines ordentlichen Kfz-Führers (BGH VersR 1957, 519). Für eine Haftung muss er also die gewöhnliche verkehrserforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen haben, mit der er gewöhnliche Verkehrslagen hätte meistern können (zu weiteren Einzelheiten s. die Bemerkungen im Rahmen der einzelnen Unfallsituationen im Folgebeitrag "Haftungsabwägung").
Die Haftungsmilderungen gem. §§ 708, 1359, 1664 BGB gelten nicht (BGHZ 53, 352 = NJW 1970, 1271; BGH NZV 1992, 148; zum Arbeitnehmerunfall s. Heß/Burmann (in: Berz/Burmann, a.a.O., 6 Q).
c) Schutzgesetze (§ 823 Abs. 2 BGB)
Als Schutzgesetze kommen vor allem die Normen der StVO, der StVZO und der FZV in Betracht. Voraussetzung ist jedoch, dass der gesetzlich gewollte Schutzzweck berührt worden ist, d.h. der Schaden muss demjenigen Rechtsgut zugefügt sein, welches durch die verletzte Norm geschützt werden soll (BGHZ 43, 178, 182 = NJW 1965, 1177; BGH NJW 2004, 356, 357; 2015, 1174 Rn 10).
aa) Schutzgesetze
Schutzgesetze aus der StVO sind:
- § 1 Abs. 2 StVO (Gebot der Rücksichtnahme, BGH VersR 2013, 599; NJW 2015, 1174);
- § 2 Abs. 2 StVO (Rechtsfahrgebot) gegenüber dem Überhol- und Gegenverkehr in Längsrichtung, nicht gegenüber dem linksabbiegenden Gegenverkehr (BGH r+s 2011, 530);
- § 2 Abs. 3a StVO (Winterreifenpflicht, Schröder SVR 2007, 458);
- § 3 Abs. 1 StVO (Geschwindigkeit, BGH NJW 1985, 1950);
- § 3 Abs. 2a StVO (Rücksicht gegenüber Kindern, älteren Menschen etc., BGH NJW 1994, 2829; 2000, 1040);
- § 4 Abs. 1 StVO (Abstand), auch gegenüber Fußgängern (OLG München NJW 1968, 653);
- § 5 StVO (Überholen), bei Überholverbot auch gegenüber dem Nachfolgeverkehr (BGH VersR 1968, 578);
- § 6 StVO (Vorbeifahren an Hindernissen) gegenüber dem vorfahrtberechtigten Gegenverkehr;
- § 7 Abs. 4 StVO (Reißverschlussverfahren);
- § 8 StVO (Vorfahrt) gegenüber dem Vorfahrtberechtigten;
- § 9 StVO (Abbiegen, Wenden, Rückwärtsfahren) gegenüber dem fließenden Verkehr, auch gegenüber Fußgängern und anderen Verkehrsteilnehmern (BGH, Urt. v. 15.5.2018 – VI ZR 231/17, ZAP EN-Nr. 394/2018);
- § 10 StVO (Ein- und Ausfahren) gegenüber dem fließenden Verkehr, auch gegenüber Fußgängern und anderen Verkehrsteilnehmern (BGH a.a.O.);
- § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO (Parkverbot vor Grundstückseinfahrten, OLG Karlsruhe NJW 1978, 274; offengelassen von BGH NJW 2011, 1476);
- § 12 Abs. 4 StVO (Parkverbot auf Gehwegen) gegenüber Fußgängern (LG Karlsruhe NJW-RR 1987, 479);
- § 14 Abs. 1 StVO (Ein- und Aussteigen) gegenüber dem vorbeifahrenden Verkehr, auch gegenüber Fußgängern;
- § 14 Abs. 2 StVO (Sicherung gegen Schwarzfahrer, BGH NJW 1981, 113; OLG Jena NZV 2004, 312);
- § 15 StVO (Sicherung liegengebliebener Kfz) gegenüber dem fließenden Verkehr;
- § 17 Abs. 4 StVO (Beleuchtungspflicht bei haltenden Kfz) gegenüber dem fließenden Verkehr (BGH VersR 1969, 895);
- § 20 Abs. 1 StVO gegenüber allen Fußgängern im räumlichen Bereich eines an einer Haltestelle haltenden Linienbusses, einer Straßenbahn oder eines gekennzeichneten Schulbusses (BGH NJW 2006, 2110);
- § 25 StVO (Fußgänger, LG Karlsruhe VRS 6, 165);
- § 26 StVO (Fußgängerüberwege);
- § 41 Abs. 1 StVO Zeichen 265 (Höhenbeschränkung), auch für Kfz (BGH NJW 2005, 2923);
- § 41 Abs. 1 StVO Zeichen 274 (Geschwindigkeitsbegrenzungen), auch gegenüber Fußgängern (BGH VersR 1972, 558);
- § 41 Abs. 1 StVO Zeichen 283 (Halteverbot), auch gegenüber die Fahrbahn querenden Fußgängern (BGH NJW 1983, 1326);
- § 41 Abs. 1 StVO Zeichen 286 (eingeschränktes Halteverbot), auch gegenüber straßenüberquerenden Fußgängern (OLG München NJW 1985, 981; a.A. OLG Schleswig NJW-RR 1990, 34) und gegenüber dem Verkehr einer gegenüberliegenden Grundstücksein- oder -ausfahrt (OLG Köln NJW-RR 1987, 478);
- § 41 Abs. 2 Nr. 7 StVO (Geschwindigkeitsbegrenzungen), auch gegenüber Fußgängern (BGH VersR 1972, 558);
- § 42 Abs. 2 StVO Zeichen 325.1 (Spielstraße), auch gegenüber noch nicht sichtbaren Kindern (OLG Frankfurt DAR 1999, 543);
- § 45 Abs. 6 S. 1 StVO (Verpflichtung des Bauunternehmers zur Einholung verkehrsrechtlicher Anordnungen) gegenüber einem Verkehrsteilnehmer (LG Saarbrücken NJW-RR 2012, 1304; Hentschel/König, a.a.O., § 45 StVO Rn 48; a.A. LG Traunstein NJW 2000, 2360).
Schutzgesetze aus der FZV und StVZO sind: