a) Verweigerte Schweigepflichtsentbindung und Beweisantrag
In dem dem Beschluss des BGH vom 16.11.2017 (3 StR 460/17, NStZ 2018, 362 f.) zugrunde liegenden Verfahren ging es in der Revision u.a. um einen vom LG abgelehnten Beweisantrag auf Ladung von zwei Ärzten. Der Angeklagte, dem sexuelle Handlungen an der Tochter seiner Lebenspartnerin vorgeworfen wurden, hatte in der Hauptverhandlung u.a. die Anträge gestellt, zwei die Tochter/Nebenklägerin behandelnde Ärzte, darunter eine Frauenärztin, als Zeugen zu den Behauptungen zu vernehmen. Die Mitangeklagte F., seine Lebenspartnerin, habe auf sein Drängen bzw. seine Veranlassung jeweils einen Untersuchungstermin für ihre Tochter vereinbart, während des Termins bei der Frauenärztin habe er vor der Praxis gewartet, während des anderen Arzttermins sei er zugegen gewesen. Diese Beweistatsachen seien für die tatrichterliche Überzeugungsbildung hinsichtlich der ihm angelasteten sexuellen Übergriffe von Bedeutung, denn, würden die Vorwürfe zutreffen, hätte er "mit Sicherheit nicht entsprechende ärztliche Untersuchungen veranlasst, die dazu hätten führen können, dass sein angebliches Tun aufgedeckt worden wäre". Das LG hat diese Anträge nach § 244 Abs. 3 S. 1 StPO abgelehnt, weil ein Beweismittelverbot bestünde. Gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO unterlägen die zwei Zeugen hinsichtlich ihrer ärztlichen Tätigkeiten gegenüber der Nebenklägerin einer Pflicht zur Verschwiegenheit. Die Nebenklägerin habe durch die Nebenklagevertreterin erklären lassen, sie entbinde die beiden behandelnden Ärzte nicht von dieser Verpflichtung.
Die Revision des Angeklagten hatte beim BGH (a.a.O.) Erfolg. Der BGH hat nämlich die Ablehnung der Beweisanträge wegen Unzulässigkeit der begehrten Beweiserhebungen gem. § 244 Abs. 3 S. 1 StPO als rechtsfehlerhaft angesehen. Die begehrten Beweiserhebungen seien nicht ohne Weiteres unzulässig gewesen. Stehe einem Arzt nach § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO ein Zeugnisverweigerungsrecht zu, so obliege es ausschließlich seiner freien Entscheidung, ob er sich nach Abwägung der widerstreitenden Interessen zu einer Zeugenaussage entschließt. Lehne der Patient es ab, den Arzt von der Schweigepflicht zu entbinden, oder widerrufe er eine frühere Entbindungserklärung, so habe er keinen strafprozessualen Anspruch darauf, dass der Arzt die Aussage verweigere (vgl. BGHSt 18, 146, 147; 42, 73, 76). Das gelte auch dann, wenn sich dieser durch seine Angaben nach § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar mache (vgl. BGHSt 15, 200, 202; 18, 146, 147 f.). Auch dann bleibe die Aussage grundsätzlich verwertbar (vgl. BGHSt 50, 64, 79 m.w.N.; KK-Senge, StPO, 7. Aufl., § 53 Rn 9). Für das Tatgericht komme es somit nicht darauf an, ob der Berufsgeheimnisträger befugt oder unbefugt handelt, sondern nur darauf, ob er sein Zeugnis verweigert oder nicht (vgl. BGHSt 15, 200; Meyer-Goßner/Schmitt, § 53 Rn 45; KK-Senge, a.a.O. Rn 7).
Hinweis:
In vergleichbaren Fällen darf also das Gericht nicht allein wegen einer ggf. verweigerten Schweigepflichtsentbindung von einem Beweismittelverbot und damit von der Unzulässigkeit der begehrten Zeugenvernehmungen eines Arztes ausgehen. Vielmehr muss in solchen Fällen – falls der Beweisantrag nicht aus anderen Gründen abgelehnt wird – der Arzt geladen werden, um seine Entscheidung über das Zeugnisverweigerungsrecht herbeizuführen. Dessen Aussagebereitschaft kann allerdings ggf. auch freibeweislich geklärt werden.
b) Unerreichbarkeit des (Auslands-)Zeugen
In der Praxis machen den Gerichten Beweisanträge, mit denen die Vernehmung eines im Ausland wohnenden Zeugen beantragt wird, immer wieder Schwierigkeiten. Sie liegen häufig darin begründet, dass der Zeuge nicht oder nur mit erheblichen Problemen zur Hauptverhandlung geladen werden kann. Dazu hat vor einiger Zeit der BGH noch einmal Stellung genommen (vgl. Beschl. v. 28.11.2017 – 3 StR 272/17). Nach dem Sachverhalt hatte der Verteidiger die Vernehmung eines in Litauen wohnhaften Zeugen beantragt. Daraufhin wandte sich der Vorsitzende per einfachem Brief in litauischer Sprache an den Zeugen und bat unter Nennung der Erreichbarkeit des Gerichts per Telefon, Fax und E-Mail um Rückmeldung, ob der Zeuge bereit sei, einer Ladung Folge zu leisten, entweder zum LG oder für eine audiovisuelle Vernehmung zum litauischen Rechtshilfegericht, das in dieser Sache bereits seit 2011 wiederholt mit diversen Rechtshilfeersuchen der Strafkammer befasst gewesen war. Zugleich wandte sich der Vorsitzende mit einfachem Brief an einen Richter des litauischen Rechtshilfegerichts und bat ihn vorsorglich um Unterstützung bei der erneuten, im Wege der Videosimultanübertragung durchzuführenden Anhörung. Zugleich erbat er eine telefonische Kontaktaufnahme zu dem Zeugen, um dessen Bereitschaft zu einer Aussage in Oldenburg oder Vilnius zu klären. Als dann in der Folgezeit weder der Zeuge noch das Rechtshilfegericht auf die Schreiben reagierten, lud der Vorsitzende den Zeugen per einfachem Brief in litauischer Sprache zu einem der nächsten Hauptverhandlungstermine. In der Hauptverhandlung war der Zeuge nicht erschienen. Die Strafkammer verkündete noch am selb...