Durch das "Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens" vom 17.8.2017 (BGBl I, S. 3202; vgl. dazu Burhoff ZAP F. 22, S. 889 ff. u. 907 ff.) wurde die Vorschrift des § 141 Abs. 3 S. 4 StPO in die StPO eingefügt. Diese sieht jetzt die Bestellung eines Pflichtverteidigers im Falle einer richterlichen Vernehmung vor. Nach Auffassung des LG gilt das auch für die richterliche Vernehmung im Zusammenhang mit einer Haftbefehlseröffnung (vgl. LG Halle, Beschl. v. 26.3.2018 – 10a Qs 33/18, StRR 5/2018, 17 f.).
Das LG begründet seine Auffassung damit, dass es nach dem Wortlaut der Vorschrift keine Einschränkungen gebe, sondern die Vorschrift ganz allgemein von richterlichen Vernehmungen spreche. Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift spreche ebenfalls für die Anwendung auf Fälle der richterlichen Vernehmung des Beschuldigten im Rahmen der Haftvorführung. Die Vorschrift ist Ausprägung der Richtlinie EU 2016/1919 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.10.2016, in der es unter Art. 4 Abs. 4 lit. a heißt: "wenn ein Verdächtiger oder eine beschuldigte Person in jeder Phase des Verfahrens im Anwendungsbereich dieser Richtlinie einem zuständigen Gericht oder einem zuständigen Richter zur Entscheidung über eine Haft vorgeführt wird". Aber auch die Bedeutung der Vernehmung gebiete hier eine Beiordnung, denn vorliegend gehe es um die Frage, ob gegen den Betroffenen Haftbefehl ergeht bzw. die Haft aufrechterhalten oder der Haftbefehl aufgehoben wird, mithin um die Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG). Eine richterliche Vernehmung des Beschuldigten im Rahmen eines Haftverkündungstermins habe auch sonst erhebliche Bedeutung für das weitere Verfahren, so dass eine Beiordnung eines Pflichtverteidigers zur Wahrung der Rechte des Beschuldigten geboten und erforderlich erscheint, denn nach § 254 StPO können Erklärungen des Angeklagten, die in einem richterlichen Protokoll enthalten sind, zum Zwecke der Beweisaufnahme über ein Geständnis in der Hauptverhandlung verlesen werden. Erklärungen des Angeklagten gegenüber einem Richter können auch durch Zeugenvernehmung des damals vernehmenden Richters in die Hauptverhandlung eingeführt werden.
Hinweise:
Die Entscheidung ist zutreffend. Sie entspricht der bislang zu der neuen Vorschrift vorliegenden Rechtsprechung und Literatur (vgl. AG Stuttgart StraFo 2018, 114; Schlothauer StV 2017, 557; Burhoff ZAP F. 22, S. 889, 895). Auf diese muss sich der Verteidiger spätestens im Haftprüfungstermin berufen, damit er beigeordnet wird. Denn später droht sonst ggf. die Diskussion, ob eine nachträgliche Bestellung des Rechtsanwalts als Pflichtverteidiger möglich ist. Das wird man in diesen Fällen aber auf jeden Fall bejahen müssen, da sonst die Neuregelung unschwer unterlaufen werden könnte.
Bezüglich der gebührenrechtlichen Auswirkungen der Neuregelung wird verwiesen auf Burhoff (RVGreport 2017, 402) und auf die Entscheidung des LG Magdeburg (Beschl. v. 19.3.2018 – 25 Qs 14/18, StRR 5/2018, 24 f.; vgl. hierzu auch unten V. 2.).