Durch das "Gesetz zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Strafverfahren" vom 2.7.2013 (BGBl I, S. 1938) sind die Belehrungspflichten in § 136 StPO erweitert worden. Vorgesehen ist danach in § 136 Abs. 1 S. 3 Hs. 2 StPO a.F. (jetzt: § 136 Abs. 1 S. 5 Hs. 2 StPO), dass der Beschuldigte auch darüber belehrt werden muss, dass ihm unter den Voraussetzungen des § 140 Abs. 1 und 2 StPO ein Pflichtverteidiger bestellt werden kann. In einem Verfahren wegen Mordes beim LG Erfurt war das nicht erfolgt. Der Beschuldigte hat dann mit seiner Verfahrensrüge geltend gemacht, seine Angaben bei seiner Vernehmung seien wegen dieses Fehlers unverwertbar. Die Rüge hatte beim BGH keinen Erfolg.
Zur Begründung verweist der 2. Strafsenat des BGH in seinem Beschluss vom 6.2.2018 (2 StR 163/17, NStZ-RR 2018, 219) darauf, dass der BGH die Frage, ob das Unterbleiben des gesetzlich vorgeschriebenen Hinweises auf die Möglichkeit einer Pflichtverteidigerbestellung zu einem Beweisverwertungsverbot führt, bisher nicht entschieden habe. Er weist aber darauf hin, dass der BGH jedoch bereits vor der gesetzlichen Einführung dieser Belehrungspflicht auch ohne gesetzliche Vorgabe im Einzelfall eine Pflicht zur Belehrung über die Möglichkeit einer unentgeltlichen Verteidigung bejaht, bei einem Verstoß hiergegen allerdings ein grundsätzliches Beweisverwertungsverbot abgelehnt hat (BGH NStZ 2006, 236 f.). Dies sei im Wesentlichen damit begründet worden, dass nur gravierende Verfahrensverstöße zu einem Beweisverwertungsverbot führen könnten und die Verletzung der Pflicht zur Belehrung über die Möglichkeit einer Pflichtverteidigerbestellung nicht annähernd einer Verletzung der Pflicht zur Belehrung über die Möglichkeit einer Verteidigerkonsultation gleichkomme, die grundsätzlich ein Verwertungsverbot nach sich ziehe.
An dieser Rechtsprechung hält der 2. Strafsenat auch nach der Einfügung der Belehrungspflicht in § 136 Abs. 1 S. 3 Hs. 2 StPO a.F. fest. Die Annahme eines absoluten Beweisverwertungsverbots sei nicht geboten (ebenso Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 136 Rn 21 [im Folgenden kurz: Meyer-Goßner/Schmitt]). Weder dem Gesetz, das Art. 3 Abs. 1 lit. b der Richtlinie 2012/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.6.2012 über das Recht auf Belehrung und Unterrichtung in Strafverfahren umsetzt, noch den Gesetzgebungsmaterialien oder auch der genannten Richtlinie lasse sich entnehmen, dass die Neuregelung das Ziel verfolge, die Verletzung der Belehrungspflicht hinsichtlich ihrer Rechtsfolgen den von der Rechtsprechung für Verstöße gegen § 136 Abs. 1 S. 2 StPO entwickelten Grundsätzen gleichzustellen. Dies gelte auch, wenn davon auszugehen sei, dass die neu eingefügte Regelung der Sache nach eine Erweiterung der Pflicht zur Belehrung über die Verteidigerkonsultation nach § 136 Abs. 1 S. 2 StPO darstelle (so im Ergebnis auch MüKo-StPO/Schuhr, § 136, Rn 38). Hieraus folge nicht, dass auch hinsichtlich der Rechtsfolgen an diese Regelung anzuknüpfen wäre (a.A. aber Schuhr, a.a.O.). Wie der BGH in seinen Entscheidungen zur alten Rechtslage ausgeführt habe, bleibe die Verletzung der Pflicht nach § 136 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 StPO a.F. in ihrer Bedeutung hinter derjenigen nach § 136 Abs. 1 S. 2 StPO zurück, die die grundsätzliche Zugangsmöglichkeit zu einem Verteidiger als solchen betrifft. Es handele sich insoweit um eine für die Rechtsstellung des Beschuldigten als Verfahrenssubjekt konstitutive Bestimmung, deren Verletzung in aller Regel zur Annahme eines Beweisverwertungsverbots führen muss (vgl. dazu Schneider NStZ 2016, 552, 554). Damit seien die Regelungen über die Bestellung eines Pflichtverteidigers, die nicht absolut gelten und vom Vorliegen der in § 140 Abs. 1 und 2 StPO genannten Voraussetzungen abhängig sind, nicht vergleichbar. Hinzu komme, dass der Beschuldigte im Ermittlungsverfahren kein eigenes Antragsrecht auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers habe, sondern lediglich anregen könne, dass die Staatsanwaltschaft von ihrem Antragsrecht Gebrauch mache. Hieran habe i.Ü. – wie die Gesetzesbegründung klarstelle – die Ergänzung der Vorschrift nichts ändern sollen (vgl. BT-Drucks 17/12578, S. 16).
Der BGH verneint dann auch ein relatives, im Rahmen einer einzelfallbezogenen Abwägung festzustellendes Verwertungsverbot. Das LG habe in seinem den Widerspruch gegen die Verwertung zurückweisenden Beschluss zutreffend in den Blick genommen, dass das staatliche Verfolgungs- und Aufklärungsinteresse – wie hier – bei einem Tötungsdelikt besonders hoch ist, die Belehrung nicht bewusst oder willkürlich, sondern aus Unkenntnis der Vernehmungsbeamten über die Neuregelung unterblieben und damit der festgestellte Verstoß von geringerem Gewicht sei. Zudem gebe es keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme, die Angeklagten hätten im Rahmen ihrer ersten Vernehmung Angaben zur Sache gemacht, weil sie mangels wirtschaftlicher Mittel keine Möglichkeit gesehen hätten, sich eines Verteidigers zu bedienen.
Hinweise:
Man fragt sich: Was sollen ei...