In der zweiten vorzustellenden Entscheidung des BVerfG (Beschl. v. 10.11.2017 – 2 BvR 1775/16, NJW 2018, 1240 = StRR 5/2018, 10) spielen Fragen der Verhältnismäßigkeit der Durchsuchungsmaßnahme eine Rolle. Ergangen ist der Beschluss in einem Ermittlungsverfahren wegen Diebstahls/Fundunterschlagung. Das Verfahren war nach dem Sachverhalt aufgrund einer Strafanzeige einer Zeugin eingeleitet worden. Diese hatte angegeben, ihr Smartphone sei während eines Aufenthalts in einem Billardzentrum gestohlen worden; sie könne aber auch nicht ausschließen, es beim Aussteigen aus dem Auto vor ihrer Wohnung verloren zu haben. Später habe ihr eine weibliche Stimme unter einer Mobilfunknummer mitgeteilt: "Sie kriegen Ihr Handy wieder." Eine Kontaktaufnahme über SMS sei fehlgeschlagen. Im Laufe der Ermittlungen wurde festgestellt, dass die Mobilfunknummer dem im gegenüberliegenden Haus wohnenden Beschuldigten zugeordnet werden konnte. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft ordnete das AG die Durchsuchung der Person und der Wohnung sowie der Fahrzeuge des Beschuldigten nach dem abhanden gekommenen Smartphone an. Dem Beschuldigten wurde Diebstahl oder (Fund-)Unterschlagung zur Last gelegt. Bei der Durchsuchung wurde das Smartphone nicht gefunden. Bei der anschließenden Beschuldigtenvernehmung gab der Beschuldigte an, dass er seinem achtjährigen Sohn ein Handy für gelegentliche Anrufe zur Verfügung gestellt habe. Die Prepaid-Karte sei auf seine Personalien eingetragen. Einige Tage nach dem angeblichen Diebstahl sei seinem Sohn und dessen Freund ein Aushang mit der Überschrift "Smartphon [sic!] verloren" aufgefallen. Aus Spaß hätten sie bei der angegebenen Telefonnummer angerufen und mitgeteilt, dass das Wort Smartphone falsch geschrieben worden sei. Sein Sohn habe ihm erzählt, dass auf seinem Handy keine SMS mit einem Herausgabeverlangen angekommen sei. Er könne dies nicht mehr prüfen, da das damalige Handy seines Sohnes inzwischen verschwunden sei. Er habe in keiner Weise etwas mit dem Verlust des Handys der Anzeigeerstatterin zu tun. Das Strafverfahren gegen den Beschuldigten wurde daraufhin gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Das LG hat die Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss als unbegründet verworfen. Die Verfassungsbeschwerde hatte Erfolg.
Das BVerfG (a.a.O.) lässt die Frage, ob zum Zeitpunkt des Erlasses des Durchsuchungsbeschlusses plausible Gründe für einen gegen den Beschuldigten gerichteten Anfangsverdacht vorlagen, im Ergebnis offen. Es weist aber darauf hin, dass die tatsächlichen Anhaltspunkte, die möglicherweise auf eine von dem Beschuldigten begangene Straftat hinweisen konnten, jedenfalls von so geringem Gewicht seien, dass sich die Anordnung einer Wohnungsdurchsuchung als unverhältnismäßig darstelle. Ein Abhandenkommen des Smartphones durch Verlieren sei zumindest gleichermaßen wahrscheinlich gewesen wie ein Diebstahl. Zudem hätten keinerlei Anhaltspunkte dafür vorgelegen, dass sich der Beschuldigte in dem Billardzentrum als dem für einen Diebstahl in Betracht kommenden Tatort aufgehalten haben könnte. Die Annahme des Anfangsverdachts einer durch den Beschuldigten begangenen Fundunterschlagung erscheint dem BVerfG in Anbetracht des Umstands, dass die Anzeigeerstatterin die Stimme des Anrufers für eine Frauenstimme gehalten hatte, zweifelhaft. Hinzu komme, dass in dem Telefonat nach den Angaben der Anzeigeerstatterin die Rückgabe des vermissten Smartphones angekündigt worden sei, was gerade gegen einen für eine Unterschlagung erforderlichen Zueignungswillen sprach. Im Übrigen sei der Anruf nicht von dem vermissten Mobiltelefon aus erfolgt, so dass gar nicht festgestanden habe, ob der Anrufer überhaupt im Besitz des Smartphones war. Die tatsächlichen Anhaltspunkte, die auf das Vorliegen einer Straftat und eine Täterschaft des Beschuldigten hindeuten konnten, waren somit nach Auffassung des BVerfG zumindest sehr schwach. Auch sei der Unrechtsgehalt der in Betracht kommenden Straftat eher im unteren Bereich der Eigentumsdelikte anzusiedeln. Bei dieser Sachlage – so das BVerfG – seien die Ermittlungsbehörden zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit gehalten gewesen, alle in Betracht kommenden, naheliegenden und grundrechtsschonenderen Ermittlungsmaßnahmen durchzuführen, bevor sie eine Durchsuchung der Wohnung des Beschuldigten in Betracht ziehen durften. Aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Falls hätte zumindest eine vorherige Vernehmung des Beschuldigten in Betracht gezogen werden müssen.
Hinweis:
Die mit der Verhältnismäßigkeit der Durchsuchungsmaßnahme zusammenhängenden Fragen scheinen das BVerfG derzeit besonders zu beschäftigen. Denn in seinem Beschluss vom 10.1.2018 (2 BvR 2993/14, ZInsO 2018, 705) hat das BVerfG dazu auch noch einmal Stellung genommen bzw. nehmen müssen. Auch dort hat das BVerfG von den Ermittlungsbehörden gefordert, vor einer Durchsuchung alle naheliegenden, weniger eingriffsintensiven Ermittlungsmaßnahmen in Betracht zu ziehen. Insbesondere wäre in dem Fall, in dem es um Insolvenzvers...