Auf der unterhaltsrechtlichen Ebene hat der Unterhaltsverpflichtete alle Nachteile, die der Unterhaltsberechtigten durch die Inanspruchnahme des begrenzten Realsplittings entstehen, auszugleichen. Daher ist der unterhaltsberechtigte Ehegatte zur Zustimmung nur dann verpflichtet, wenn ihm die Nachteile, die er durch die Versteuerung des Unterhaltes erleidet, ersetzt werden (BGH NJW 2002, 2317).
Zum Ausgleich der Nachteile reicht es nach Ansicht des OLG Brandenburg (Beschl. v. 1.2.2016 – 13 UF 170/14, FuR 2016, 594) aus, dass der Pflichtige sich verbindlich zur Erstattung dieser Nachteile bereiterklärt und sodann den Steuermehrbetrag an den Berechtigten erstattet. Ein Freistellungsanspruch steht dem Unterhaltsberechtigten nicht zu.
Dagegen löst bereits die Festsetzung von Steuervorauszahlungen gegenüber dem Unterhaltsberechtigten einen Freistellungsanspruch gegenüber dem Unterhaltspflichtigen aus (so OLG Hamm, Beschl. v. 6.9.2018 – 4 UF 79/18, FuR 2019, 172). Bejaht wird ein Anspruch auf Erstattung schon der Steuervorauszahlung und nicht erst des endgültig feststehenden Mehrbetrages nur dann, wenn die Entrichtung der Vorauszahlungsbeträge die Mittel schmälert, die zum Lebensunterhalt des Unterhaltsberechtigten zur Verfügung stehen (OLG Brandenburg, a.a.O.).
Verlangt ein erheblich überschuldeter geschiedener Ehegatte die Zustimmung zum steuerlichen Realsplitting, besteht ausnahmsweise ein Anspruch des anderen Ehegatten auf Sicherung seines Erstattungsanspruchs durch eine Sicherheitsleistung (OLG Stuttgart, Beschl. v. 12.1.2017 – 16 UF 194/16, FamRZ 2017, 1391 = FUR 2018, 47).
aa) Steuerliche Nachteile
Da der Unterhaltsberechtigte die Unterhaltsleistungen als Einkünfte zu versteuern hat, sind die Einkommensteuern, der Solidaritätszuschlag und die Kirchensteuern einschließlich der Vorauszahlungen hierzu (§ 37 EStG) zu ersetzen, soweit sie auf den Unterhaltsleistungen beruhen (BGH FamRZ 1983, 576; OLG Köln FamRZ 1988, 951).
Die Kosten eines Steuerberaters sind im Allgemeinen nicht ausgleichspflichtig (BGH FamRZ 1988, 820, 821; BGH FamRZ 2002, 1024, 1027). Ersatzfähig sind die Kosten ausnahmsweise dann, wenn die eigene Sachkunde des Unterhaltsberechtigten nicht ausreicht, z.B. beim erstmaligen Zusammentreffen von Unterhaltsleistungen mit Einkünften aus anderen Einkunftsquellen. Daher können auch die Kosten des Steuerberaters, die für die Berechnung der ersatzpflichtigen steuerlichen Nachteile anfallen, auszugleichen sein (OLG Hamm FamRZ 1993, 205). Der Unterhaltsberechtigte ist nicht gehalten, selbst den auf dem Realsplitting beruhenden Steuernachteil zu berechnen (OLG Hamm, Beschl. v. 22.5.2014 – 2 UF 6/14, FuR 2015, 245).
bb) Sonstige Nachteile
Dem Unterhaltsberechtigten können aber nicht nur steuerliche Nachteile erwachsen, sondern auch Kürzungen öffentlicher Leistungen. Diese Konsequenzen werden oft nicht bedacht. Diese Nachteile ergeben sich daraus, dass die Anspruchsberechtigung für bestimmte öffentliche Leistungen nach Grund und Höhe vom Einkommen des Anspruchsinhabers im Einkommensteuerrechtlichen Sinn abhängt. Durch die Inanspruchnahme des begrenzten Realsplittings werden die Unterhaltsleistungen zu sonstigen Einkünften. Hierdurch kann es geschehen, dass die Gesamteinkünfte beim Unterhaltsberechtigten bestimmte (beispielsweise sozialrechtliche) Einkommensgrenzen überschreiten. Auch diese Nachteile, die durch die Folgen der Inanspruchnahme des Realsplittings entstehen, wie z.B. der Wegfall oder die Reduzierung von Ansprüchen auf sozialrechtliche oder andere öffentliche Leistungen, sind vom Unterhaltspflichtigen auszugleichen (BGH, Urt. v. 11.5.2005 – XII ZR 108/02, FamRZ 2005, 1162; BGH, FamRZ 1983, 576; OLG Hamm FamRZ 1993, 205).
Zu denken ist hier z.B. an Mehrbelastungen in der Krankenversicherung wegen des Wegfalls des Anspruchs auf beitragsfreie Familienversicherung (Poppen in: Büte/Poppen/Menne, Unterhaltsrecht, § 10 EStG Rn 15 m.w.N.). Die Beiträge für den Abschluss einer eigenen Krankenversicherung des unterhaltsberechtigten Ehegatten muss der Unterhaltsverpflichtete im Rahmen seiner Ausgleichspflicht erstatten. Die gleiche Konsequenz ergibt sich, wenn der unterhaltsberechtigte Ehegatte zwar schon Beiträge zur eigenen Krankenversicherung zu zahlen hat, die Beitragsbelastung sich infolge der Zurechnung zusätzlichen Einkommens aber erhöht (Arens FamRZ 1999, 1558, 1561f).
Aber auch bei höheren Beiträgen im Kindergarten, dem Verlust der Arbeitnehmersparzulage, der Sparprämie bzw. Wohnungsbauprämie, BAföG-Leistungen, Waisen-, Eltern- und Ausgleichsrenten besteht eine grundsätzliche Erstattungspflicht.
Praxistipp:
In der anwaltlichen Beratung wird oft nicht genug auf diese – mittelbaren – Nachteile geachtet und das Augenmerk zu kurzsichtig allein auf den Vorteil des Realsplittings gerichtet. Zieht man alle Vorteile und zu erstattenden Nachteile ins Kalkül, kann sich der unterhaltsrechtlich auswirkende Vorteil sehr schnell nachhaltig relativieren. Denn die unterhaltsberechtigte Ehefrau hat im Ergebnis nichts davon, wenn sich das Nettoeinkommen des unterhaltspflic...