Während im ersten Beitrag "Die Leistungsfähigkeit im Unterhaltsrecht" (vgl. ZAP, F. 11, S. 1489 f.) die Einzelfragen des anzurechnenden Einkommens – also der für die Unterhaltsberechnung maßgeblichen Aktivposten – behandelt worden ist, geht es nun um die praktisch ebenso wichtige Frage, welche Abzüge – also Passivposten – unterhaltsrechtlich anerkannt werden können.
Denn Maßstab für die Berechnung des Unterhaltes ist das sog. bereinigte Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen, bei dem auch anfallende Abzugspositionen zu berücksichtigen sind. Die in der Praxis gravierendste Belastung sind die Steuern. Die steuerrechtlichen Aspekte und deren Auswirklungen auf die Unterhaltsberechnung werden in einem gesonderten Beitrag dargestellt.
Grundsätzlich sind vom unterhaltsrechtlich relevanten Einkommen sowohl des Pflichtigen als auch des Berechtigten die gesetzlichen Steuern (Einkommen- und Kirchensteuer, soweit Kirchensteuerpflicht besteht) sowie der Solidaritätszuschlag abzuziehen. Im Regelfall wird dabei auf die tatsächliche Steuerbelastung abzustellen sein. In der Praxis ist jedoch nicht selten auf der Basis des tatsächlichen Bruttoeinkommens eine hypothetische Steuerberechnung vorzunehmen, um das unterhaltsrechtlich relevante Einkommen zu ermitteln.
- So gilt der allgemeine unterhaltsrechtliche Grundsatz, ein möglichst hohes eigenes Einkommen zu erzielen, um die Gegenseite nicht mehr als nötig zu belasten. Daraus wird auch die Obliegenheit abgeleitet, Steuervorteile, die in zumutbarer Weise erzielt werden können, auch wahrzunehmen, um das eigene Einkommen nicht durch unnötig hohe gesetzliche Abzüge zu schmälern (BGH FamRZ 1999, 372, 375 [BGH 25.11.1998 – XII ZR 33/97]). Denn jeder Beteiligte einer unterhaltsrechtlichen Auseinandersetzung ist gehalten, die Abzüge, die sein bereinigtes Einkommen schmälern, möglichst gering zu halten und z.B. Freibeträge auf der Lohnsteuerkarte zu nutzen, siehe unten IX.
- Daher stellt sich vielfach die Frage, ob die tatsächlich gegebene Besteuerung nicht für die Durchführung der Unterhaltsberechnung geändert werden muss, weil vorhandene Möglichkeiten nicht ausgeschöpft worden sind.
- In der Praxis kann aber auch der umgekehrte Fall eintreten, dass bestimmte tatsächlich vorhandene, steuerlich relevante Tatsachen unterhaltsrechtlich unbeachtlich sind, so dass bei der Unterhaltsberechnung nicht die tatsächliche Steuerbelastung angesetzt werden kann. Stattdessen müssen die unterhaltsrechtlich nicht anerkannten Abzüge aus der Steuerberechnung herausgerechnet werden (z.B. der Steuervorteil durch die Wiederverheiratung – unten XVII – oder teilweise die Abschreibung bei der Steuerberechnung Selbstständiger – unten XIV).
Dies gilt für den Unterhaltspflichtigen in gleicher Weise wie für den Unterhaltsberechtigten.