Im vorliegenden Fall hatte der Kläger gegenüber der beklagten Behörde die von ihm erbrachten Leistungen schlussabgerechnet. Daraufhin hat die Beklagte den Vorgang haushaltsrechtlich abgeschlossen und auf die Beantragung weiterer Fördermittel von dritter Seite verzichtet. Nunmehr machte der Kläger aus demselben Vorgang mit weiterer Rechnung einen ergänzenden Betrag geltend, bei dem er vorgab, vergessen zu haben, ihn in der Schlussrechnung zu benennen. Die Beklagte lehnte die Zahlung mit der Begründung ab, dieser Anspruch, der zwar nicht verjährt sei, sei aber verwirkt.
Der Einwand der Verwirkung ist in der Rechtsprechung seit Langem als Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung für den Fall der verspäteten Geltendmachung eines Anspruchs anerkannt. Für die Annahme eines Verstoßes gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) reicht der bloße Zeitablauf indes nicht aus; hinzukommen muss vielmehr, dass der Schuldner dem Verhalten des Gläubigers, das zur verspäteten Geltendmachung des Anspruchs geführt hat, entnehmen musste, dass dieser den Anspruch nicht mehr geltend machen wollte, wenn sich also der Schuldner darauf einrichten durfte, dass er mit diesem Anspruch nicht mehr zu rechnen brauche, und sich darauf auch eingerichtet hat (RGZ 158, 100, 107 f.). Das BVerfGhat die Verwirkung auch unter Geltung der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG gebilligt. Gegen Treu und Glauben verstößt die verspätete Geltendmachung eines Rechts danach, wenn der Berechtigte unter Verhältnissen untätig bleibt, unter denen vernünftigerweise etwas zur Wahrung des Rechts unternommen zu werden pflegt (BVerfGE 32, 305, 308 f.).
Hinweis:
Diese Grundsätze sind in der Rechtsprechung des BVerwG auf das öffentliche Recht übertragen worden (BVerwGE 102, 33, 36). Verwirkt ist ein Anspruch, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten, die die spätere Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen (Umstandsmoment). Das ist insbesondere der Fall, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser seinen Anspruch nach längerer Zeit nicht mehr geltend machen würde, und wenn er sich infolge seines Vertrauens so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (BVerwGE 143, 335, BVerwG, Buchholz 316 § 41 VwVfG Nr. 8).
Das BVerwG hebt in seinem Beschluss vom 29.8.2018 (3 B 24.18, VRS 134, 157 ff. = VRS 134, Nr. 30) hervor, dass eine Verwirkung von Ansprüchen, die der regelmäßigen Verjährung von drei Jahren unterlägen und im Zeitpunkt der Klageerhebung unverjährt seien, grundsätzlich nur bei Vorliegen besonderer Umstände angenommen werden könne. Entscheidend für die Annahme einer unzulässigen Rechtsausübung sei, dass sich objektiv das Gesamtbild eines widersprüchlichen Verhaltens ergebe, weil das frühere Verhalten mit dem späteren sachlich unvereinbar sei und die Interessen der Gegenseite vorrangig schutzwürdig erscheine. Ob diese Voraussetzungen im Einzelfall erfüllt seien, sei der tatrichterlichen Würdigung vorbehalten.