1. Besorgnis der Befangenheit durch Fortbildungsveranstaltung
Richter treten nicht selten bei Fortbildungsveranstaltungen auf. Zu solchen zählen auch Inhouse-Veranstaltungen bei Behörden. Ist eine solche Behörde dann Beteiligte in einem Prozess und gehört der referierende Richter der Richterbank in den Streitverfahren an, stellt sich die Frage nach der Neutralität des Richters, anders formuliert, nach seiner Unvoreingenommenheit.
Nach § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO setzt die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit einen Grund voraus, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Voraussetzung ist nicht, dass der Richter tatsächlich befangen, voreingenommen oder parteiisch ist. Es genügt, wenn vom Standpunkt eines Beteiligten aus gesehen hinreichend objektive Gründe vorliegen, die bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass geben, an seiner Unparteilichkeit zu zweifeln. Kriterium für die Unparteilichkeit des Richters ist die Gleichbehandlung der Parteien. Der Ablehnung setzt er sich aus, wenn er, ohne Stütze im Verfahrensrecht, die Äquidistanz zu den Parteien aufgibt, insbesondere sich zum Berater einer Seite macht (BGHZ 156, 269, 270). Eine rein subjektive Besorgnis, für die bei Würdigung der Tatsachen vernünftigerweise kein Grund ersichtlich ist, reicht dagegen zur Ablehnung nicht aus (stRspr, vgl. BVerfGK 15, 111, 114; BVerwGE 50, 36, 38 und BVerwG, NVwZ 2018, 181).
Hinweis:
Allgemein kann die Besorgnis einer Befangenheit begründet sein, wenn der Richter eine der Parteien außerhalb des Prozesses rechtlich beraten, etwa ein privates Gutachten für sie erstellt hat (Bork in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2014, § 42 Rn 6; Stackmann in: Münchner Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2016, § 42 Rn 19). Für den Verwaltungsprozess gilt die Sonderregelung des § 54 Abs. 2 VwGO – danach ist ein Richter ausgeschlossen, der bei dem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren mitgewirkt hat. Im Interesse des Vertrauens in die Unparteilichkeit der Gerichte genügt jede Mitwirkung, auch beratender Art, an dem konkreten Verwaltungsverfahren, das zum Erlass der gerichtlich zu überprüfenden Entscheidung geführt hat, um den Ausschlusstatbestand zu erfüllen (BFHE 125, 33; BVerwG, Beschl. v. 30.1.2018 – 1 WB 13.17).
Nach dem Beschluss des BVerwG vom 11.9.2018 (9 A 2.18) sind von einer derart einseitigen Interessenwahrnehmung zugunsten einer Partei Fachvorträge und schriftliche Ausarbeitungen zu unterscheiden, die die Rechtslage darstellen und einen Überblick über die einschlägige Rechtsprechung geben. Nehme ein Richter als Referent zu allgemein bedeutsamen Rechtsfragen Stellung, und sei es vor einem beschränkten Zuhörerkreis, ist das allein kein Grund, seiner Unparteilichkeit zu misstrauen. So liege es insbesondere dann, wenn ein Verwaltungsrichter vor Mitarbeitern einer Behörde in allgemeiner Form die zu einem bestimmten Sachgebiet ergangene Rechtsprechung zusammenfasse und erläutere. Da die Behörden an Gesetz und Recht gebunden seien (Art. 20 Abs. 3 GG), bestehe ein erhebliches öffentliches Interesse daran, dass deren Bedienstete nicht nur die Gesetze, sondern auch die dazu ergangene, insbesondere höchstrichterliche, Rechtsprechung kennen. Solche Kenntnisse zu vermitteln, seien Verwaltungsrichter besonders geeignet.
2. Rechtskraftwirkung bei Aufhebung eines Verwaltungsakts wegen Unzuständigkeit der Erlassbehörde
Die Grundsätze zur Reichweite der materiellen Bindungswirkung rechtskräftiger Urteile, mit denen auf die Anfechtungsklage des Betroffenen ein belastender Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, sind in der Rechtsprechung des BVerwG geklärt (vgl. zuletzt BVerwGE 156, 159 Rn 9 ff. m.w.N.). Nach § 121 VwGO binden rechtskräftige Urteile, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. In diesem Umfang tritt damit materielle Rechtskraft ein, d.h. der durch das Urteil ausgesprochene Inhalt ist in jedem Verfahren zwischen den Beteiligten bindend. Die Rechtskraft bindet deshalb auch, wenn und soweit sich die entschiedene Frage in einem späteren Verfahren mit einem anderen Streitgegenstand als (präjudizielle) Vorfrage stellt. Allerdings erfasst die inhaltliche Bindungswirkung aus § 121 VwGO nur die Entscheidung über den Streitgegenstand selbst, nicht aber die hierzu vorgreiflichen Rechtsverhältnisse oder Vorfragen. Diese können nur durch ein Zwischenfeststellungsurteil materielle Bindungswirkung erlangen (vgl. BVerwGE 140, 290 Rn 22 m.w.N.).
Hinweis:
Im Verwaltungsprozess besteht die Besonderheit, dass bereits der Streitgegenstand der Gestaltungsklagen regelmäßig zweistufig ist. Im Falle der stattgebenden Anfechtungsklage wird nicht nur der angefochtene Verwaltungsakt aufgehoben; festgestellt ist mit dem Urteil vielmehr zugleich, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig war und den Kläger in seinen Rechten verletzt hat (vgl. Rennert in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 121 Rn 25 m.w.N.). Das Urteil erschöpft sich nicht in der bloßen Kassation, sondern verbietet der Behörde zugleich, in derselben Sache gegenüber demselben Beteiligten erneut eine entsprechende Verfügung zu erlassen (BVerwGE 91, 256 f.). Dies wird als Widerspruchs- u...