Das BAG hat im Urteil vom 1.3.2007 (2 AZR 217/06) unter Rn 43 entschieden, der Antrag auf Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft bzw. auf Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen müsse unter Einhaltung der Drei-Wochen-Frist (s. oben II.1.) „ordnungsgemäß mit allen erforderlichen Angaben (ohne diese zu spezifizieren) gestellt werden”. Ein Eingehen darauf, ob und mit welchem Ergebnis hierbei sozialrechtliche Verfahrensvorschriften einschlägig sein können, fehlt jedoch. Es handelt sich hier zudem um Ausführungen, die für die Entscheidung nicht tragend waren (um ein obiter dictum), weil dort die Antragstellung erst drei Tage vor Ausspruch der Kündigung und damit jedenfalls – im Hinblick auf den Kündigungsschutz nach §§ 168 ff. – zu spät erfolgte, so auch das LAG (s. Rn 44 ff.). Dieses stellt weiter darauf ab, bei der hier erfolgten telefonischen Antragstellung wäre es dem Sachbearbeiter möglich gewesen, die Angaben aus dem – später zugesandten Antragsformular, das sechs Tage nach der telefonischen Antragstellung ausgefüllt bei der BA einging – abzufragen. Wenn die BA danach erst einen Monat später über den Antrag entschieden hat, so zeige der mehr als drei Wochen dauernde Verfahrensverlauf, dass dieser in keiner Weise eine Folge einer fehlenden Mitwirkungshandlung des Klägers gewesen ist (zur rechtl. Relevanz dieses Aspekts, s.o. II. 1.). Mutschler führt aus, ein Antrag bedürfe im Hinblick auf den Amtsermittlungsgrundsatz des § 20 SGB X keiner Begründung (vgl. KassKomm § 18 SGB X, Rn 12; im Ergebnis ebenso, wenn auch ohne Begründung, Goebel in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 3. Aufl. § 151 Rn 22).
Würde man der Auffassung des BAG folgen, bedeutete das, dass mündliche Anträge – entgegen §§ 9, 18 SGB X – nicht möglich wären. Dies bedeute u.E. einen Verstoß gegen den Vorbehalt des Gesetzes, § 31 SGB I (s. hierzu bereits oben unter II. 2. a). Zustimmung finden die Ausführungen des BAG hingegen bei Linck in: Linck/Krause/Bayreuther, KSchG, 16. Aufl., § 4 Rn 121).
Koch (in: Schaub, Arbeitsrechtshandbuch 18. Aufl., § 179 Rn 9) verweist hinsichtlich des Antrags auf Gleichstellung auf § 16 SGB I – die Bestimmung regelt allerdings unterschiedliche Sachverhalte, vorliegend wird offenbar auf Abs. 1 S. 1 abgestellt, wonach Anträge auf Sozialleistungen beim zuständigen Leistungsträger zu stellen sind – und vertritt die Auffassung, Nachweise seien nicht beizufügen. Dies ist m.E. zutreffend, wobei zu ergänzen ist: Der Antrag auf Gleichstellung nach § 151 Abs. 2 – wie derjenige auf Feststellung der Behinderung nach § 152 Abs. 1 – betrifft keine Sozialleistung (s. die Definition in § 11 SGB I), demnach ist eine unmittelbare Anwendung des § 16 SGB I nicht möglich. Es besteht jedoch in der sozialrechtlichen Rechtsprechung (s. etwa BSG, Urt. v. 22.9.1988 – 2/9b RU 36/87, juris Rn 25 m.w.N.; KassKomm/Spellbrink, § 16 SGB I Rn 29 m.w.N.) Einigkeit darüber, dass die Norm analog auch für solche Anträge anzuwenden ist, die, wie hier, für die Stellung der Betroffenen und somit mittelbar auch für den Erhalt von Sozialleistungen von Bedeutung sind.
§ 16 SGB I enthält zwar kein Gebot der Formfreiheit, seine Bedeutung beschränkt sich im vorliegenden Zusammenhang darauf, keine bestimmte Form vorzuschreiben. Die Vorschrift ist als Teil eines dem „Projekt Sozialgesetzbuch” zugrundeliegenden Konzepts der Sozialrechtsoptimierung zu verstehen, das auf einen niedrigschwelligen Zugang zu den Sozialleistungen angelegt ist und dem Gebot des „§ 2 Abs. 2 SGB I” folgt, wonach sicherzustellen ist, dass soziale Rechte möglichst weitgehend zu verwirklichen sind (s. KassKomm/Spellbrink, § 16 SGB I Rn 2 f.). Somit ist auch hinsichtlich der hier zu beurteilenden Anträge von dem allgemeinen Grundsatz der Nichtförmlichkeit des Verwaltungsverfahrens (§ 9 S. 1 SGB X) auszugehen, s.o. II. 2. a).
Schließlich belegt die übliche Verwaltungspraxis, dass Ausführungen über die Antragstellung hinaus die Bearbeitung weder fördern noch eine schnellere Entscheidung bewirken würden: Die Versorgungsämter übersenden den Antragstellern nach Eingang ihres Anliegens ein mehrseitiges Formular, auf dem u.a. Angaben über bestehende Gesundheitsstörungen, behandelnde Ärzte/Fachärzte/Kliniken/Krankenhausbehandlungen abgefragt werden. Ferner enthält das Schriftstück Erklärungen zum Datenschutz und zur Befreiung von der ärztlichen Schweigepflicht und ermächtigt das Versorgungsamt, sich ggf. direkt für weitere Auskünfte an die benannten Behandler zu wenden. Erst nach Rücksendung dieses Formulars sind die Versorgungsämter tatsächlich und rechtlich in der Lage, die notwendigen Ermittlungen vorzunehmen.