1. Schwerbehinderte Menschen
Grundsätzlich erlischt der gesetzliche Schutz schwerbehinderter Menschen mit dem Wegfall der Voraussetzungen nach § 2 Abs. 2 (§ 199 Abs. 1, (Hs. 1). Wenn sich der GdB auf weniger als 50 verringert – das ist häufig der Anlass für die Versorgungsämter, Änderungsbescheide nach § 48 Abs. 1 SGB X zu erlassen – bleibt der gesetzliche Schutz jedoch bis zum Ende des dritten Monats nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des die Verringerung feststellenden Bescheides erhalten (§ 199 Abs. 1, Hs. 2).
2. Gleichgestellte behinderte Menschen
Hinsichtlich der Gleichstellung gilt nach § 199 Abs. 2 S. 1, dass der Schwerbehindertenschutz nach dem Widerruf oder der Rücknahme der Gleichstellung (zuständig ist wiederum die BA, § 187 Abs. 1 Nr. 5) nicht mehr angewendet werden kann.
Der Widerruf ist zulässig, wenn die Voraussetzungen nach § 2 Abs. 3 i.V.m. § 151 Abs. 2 SGB IX weggefallen sind (§ 199 Abs. 2 S. 2). Der Widerruf wird aber auch hier erst am Ende des dritten Monats nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des Bescheids wirksam (§ 199 Abs. 2 S. 3).
Eine Rücknahme kommt unter den Voraussetzungen des § 45 SGB X in Betracht, wenn die Gleichstellung bereits zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses rechtswidrig war. § 199 Abs. 2 S. 3 gilt hier nicht, die Rücknahme wird nach § 39 SGB X mit ihrer Bekanntgabe wirksam. Es soll auch eine Rücknahme für die Vergangenheit in Betracht kommen, wenn Bösgläubigkeit i.S.v. § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB X besteht (str. s. Pahlen in: Neumann/Pahlen/Greiner/Winkler/Jabben, SGB IX, 14. Aufl. § 199 Rn 14 m.w.N.).
3. Fortbestehen der Rechte
Schwerbehinderte Menschen und die ihnen gleichgestellten behinderten Menschen haben während der Schutz- bzw. Auslauffristen in § 199 Abs. 1 bzw. § 199 Abs. 2.S. 3 u.a. gegenüber ihren Arbeitgebern die gleichen Rechte wie zuvor, insb. bedarf eine Arbeitgeberkündigung weiterhin der vorherigen Zustimmung des Integrationsamts, was auch dann gilt, wenn die Kündigungsfrist nach der Schutzfrist abläuft (BAG, Urt. v. 3. 1.1957 – 2 AZR 281/56, NJW 1957, 648, Rn 7). Diese Entscheidung ist ergangen zur damals geltenden Vorschrift des § 24 SchwBeschG, die sogar eine Schutzfrist von einem Jahr Dauer vorsah. § 199 Abs. 3 bestimmt, dass für die Dauer der Schutzfristen die betroffenen Arbeitnehmer auf die Zahl der Pflichtarbeitsplätze (§ 154 Abs. 1) anzurechnen sind.
Hinweis:
In den erwähnten Fällen wirkt sich die Dauer des Widerspruchs- und des sozialgerichtlichen Verfahrens zugunsten der Kläger aus. Vor Eintritt der Bestandskraft wird der entziehende oder herabstufende Verwaltungsakt nicht wirksam. Selbst bei unsicheren Erfolgsaussichten ist zu überlegen, das Verfahren gleichwohl zu betreiben, auch wegen der Vergünstigungen, die außerhalb des Arbeitsverhältnisses bestehen: So kann die vorgezogene Altersrente für schwerbehinderte Menschen nach §§ 37, 236a SGB VI beansprucht werden, wenn die Versicherten bei Beginn der Rente als schwerbehinderte Menschen anerkannt sind (§§ 37 S. 1 Nr. 2, 236a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB VI), was ja während des Laufs der Schutzfristen der Fall ist. Unerheblich ist es für den Bezug der Rente, ob die Schwerbehinderung nach dem Rentenbeginn entfällt (vgl. BSG, Urt. v. 11.5.2011 – B 5 R 56/10 R). Außerdem behalten die Kläger für die Zeit des Verfahrens alle anderen Rechte aus dem höheren GdB, z.B. Steuerfreibeträge nach § 33b EstG.
4. Zeitweilige Entziehung der besonderen Hilfen für schwerbehinderte und gleichgestellte behinderte Menschen
Schwerbehinderten Menschen, die
- einen zumutbaren Arbeitsplatz ohne berechtigten Grund zurückweisen oder aufgeben
- oder sich ohne berechtigten Grund weigern, an einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben (s. § 49 ff. SGB IX, v.a. an einer Ausbildungs-, Fortbildungs- oder Umschulungsmaßnahme, s. Abs. 3 der Norm) teilzunehmen,
- oder sonst durch ihr Verhalten ihre Teilhabe am Arbeitsleben schuldhaft vereiteln,
kann (Ermessensentscheidung) das Integrationsamt (zuständig nach § 185 Abs. 1 S. 1 Nr. 4) im Benehmen mit der Bundesagentur für Arbeit die besonderen Hilfen für schwerbehinderte Menschen zeitweilig entziehen, § 200 Abs. 1 S. 1. Dies gilt nach Satz 2 der Vorschrift auch für gleichgestellte behinderte Menschen.
Es zeigen sich hinsichtlich der sanktionierten Verhalten Parallelen zur Sperrzeitregelung in § 159 SGB III und zur Leistungsversagung nach §§ 64, 66 SGB X; auf die Auslegung dieser Vorschriften kann zurückgegriffen werden, wobei allerdings die Besonderheiten des Schwerbehindertenrechts wie in § 185 Abs. 2 S. 2 (Qualität des Arbeitsplatzes) zu berücksichtigen sind. Der Begriff des wichtigen Grundes in § 159 Abs. 1 S. 1 SGB III ist enger gefasst als der des berechtigten Grundes in § 200 (s. zu Vorstehendem Dau in LPK-SGB IX § 200, Rn 6).
Vor der Entscheidung sind die schwerbehinderten und gleichgestellten behinderten Menschen anzuhören, § 200 Abs. 2 S. 1. In der Entscheidung wird die Frist bestimmt, für die sie gilt; die Frist läuft von dem Tag der Entscheidung an und beträgt höchstens 6 Monate, § 200 Abs. 2 S. 2 und 3.
Für die Dauer der Entziehung bleibt der hiervon betroffenen Personenkreis zwar schwerbehindert i.S.d. § 2 Abs. 2, er verliert jedoch – allerdings nur vorübergehend, bis zum Ablauf der Frist – di...