1. Eingrenzung des Informationsfreiheitsgesetzes durch das Fachrecht und den Rechtsmissbrauch
Wird Einsicht in Behördenvorgänge begehrt und beruft sich der Antragsteller auf das entsprechende Informationsfreiheitsgesetz (IFG), bedarf es der Prüfung, ob das Einsichtsrecht nicht durch spezialgesetzliche Normen, also solchen des jeweiligen Sachgebietes, verdrängt wird. Nach dem Urteil des BVerwG vom 15.12.2020 (10 C 24/19) wird das Informationsfreiheitsgesetz nach § 1 Abs. 3 IFG durch Normen verdrängt, die einen mit § 1 Abs. 1 IFG abstrakt-identischen sachlichen Regelungsgehalt aufweisen und sich als abschließende Regelung verstehen. Sowohl ausgehend vom Wortlaut des § 1 Abs. 3 IFG als auch mit Blick auf Sinn und Zweck der Regelung, den Vorrang des Fachrechts gegenüber dem allgemeinen Informationszugangsrecht zu gewährleisten, sei hierfür maßgeblich, ob die anderweitige Regelung dem sachlichen Gegenstand nach Regelungen über den Zugang zu amtlichen Informationen treffe. Darüber hinaus sei ausschlaggebend, ob die andere Regelung diesen Zugang nicht nur im Einzelfall, sondern allgemein oder doch typischerweise gestatte und an nach dem Informationsfreiheitsgesetz Informationspflichtige adressiert sei.
Hinweis:
Danach gehen vergaberechtliche Vorschriften, die sich auf ein abgeschlossenes Vergabeverfahren beziehen, dem Informationsfreiheitsgesetz nicht vor (vgl. Debus in: Hrsg. Gersdorf/Paal, BeckOK Informations- und Medienrecht, Stand November 2020, § 1 IFG Rn 209 ff.; Schoch, IFG, 2. Aufl. 2016, § 1 Rn 339 f.). § 5 Abs. 2 S. 2 der Vergabeverordnung (VgV) vom 12.4.2016 (BGBl I, S. 624) regelt nicht den Zugang zu Informationen, sondern schließt ihn aus.
Das BVerwG hat ferner entschieden, dass einem Antrag auf Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz grds. der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegengehalten werden könne. Insofern gelte für den Anspruch auf Informationszugang nichts anderes als für jeden anderen Rechtsanspruch. Es handele sich um einen allgemeinen Rechtsgedanken, der der gesamten Rechtsordnung zugrunde liege und der in §§ 226, 242 BGB für einen Teilbereich der Rechtsordnung seinen Ausdruck gefunden habe. Der Anspruch auf Informationszugang könne allerdings nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen als rechtsmissbräuchlich abgelehnt werden. Der Einwand unzulässiger Rechtsausübung sei nur dann begründet, wenn es dem Antragsteller nicht um die begehrte Information gehe, er vielmehr ausschließlich andere und von der Rechtsordnung missbilligte Zwecke verfolge. Diese Voraussetzungen seien etwa dann gegeben, wenn das Informationsbegehren den Zweck verfolge, die informationspflichtige Behörde lahmzulegen.
Hinweis:
Der Antragsteller hat sein Informationsinteresse nicht darzulegen; es wird vom Gesetz vermutet. Es ist Sache der informationspflichtigen Behörde, gegen diese Vermutung den Beweis des Gegenteils zu führen. Ihre Darlegung ist hierbei nicht auf Umstände beschränkt, die das konkrete Verfahren betreffen; die Feststellung informationsfremder Zwecke kann sich aus anderen Umständen ergeben. Auch das Gericht muss im Streitfall eine Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände vornehmen.
2. Informationszugang nach dem Verbraucherinformationsgesetz
Im Rahmen des Verbraucherschutzes kommt es immer wieder vor, dass von dritter Seite Einsicht in Prüfberichte etwa lebensmittelrechtlicher Art begehrt werden. Gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 VIG hat „jeder” nach Maßgabe dieses Gesetzes Anspruch auf freien Zugang zu den dort näher bezeichneten Informationen. Nach Wortlaut und Entstehungsgeschichte ist dieser Anspruch ein voraussetzungslos ausgestaltetes Jedermannsrecht, das nicht von der Verbrauchereigenschaft abhängt. Ein Ermessen der Behörde besteht nicht. Nach dem Beschluss des BayVGH vom 7.8.2020 (5 CS 20.1302) zielt das Verbraucherinformationsgesetz gerade auf die Gewährleistung eines weiten Informationszugangs ab. Einzelpersonen sollten nicht nur eine informierte Konsumentscheidung treffen, sondern zugleich als Sachwalter des Allgemeininteresses fungieren können. Auf eine etwaige Strohmann-Eigenschaft komme es ebenso wenig an wie auf die Frage, ob es im Hintergrund um eine Informationskampagne gehe.
In solchen Fällen liege auch kein Rechtsmissbrauch vor, der den Versagungsgrund nach § 4 Abs. 4 S. 1 VIG betreffe, der insb. bei überflüssigen Anfragen (vgl. § 4 Abs. 4 S. 2 VIG) oder querulatorischen Begehren zum Tragen komme. Dieser Versagungsgrund sei bei Antragstellungen im Rahmen einer Kampagne Dritter nicht einschlägig (so auch VGH BW, Beschl. v. 13.12.2019 – 10 S 1891/19 – Rn 29; NdsOVG, Beschl. v. 16.1.2020 – 2 ME 707/19 – juris Rn 14; OVG NRW, Beschl. v. 16.1.2020 – 15 B 814/19 – juris Rn 31 ff.; offen gelassen von OVG RP, Beschl. v. 15.1.2020 – 10 B 11634/19 – juris Rn 6). Eine kampagnenartige Weiterverwendung der Information sei im Verbraucherinformationsgesetz gerade angelegt und entspreche dessen Zielsetzung.
3. Geltung des Informationsfreiheitsgesetzes gegenüber rechtsfähigen Stiftungen bürgerlichen Rechts (Sparkassenstiftung)
Das OVG Münster hat sich in seinem Urteil vom 17.11.2020 (15 A 4409/18; NVwZ-RR 2021, 199) mit dem Begehren einer dritten Person gegenüber einer von einer Sparkasse errichteten Stiftung bürgerlichen Rechts zu befassen gehabt, Auskunft darüber zu erteilen, a...