1. Gestufte Prüfung zur Klärung der Identität des Einbürgerungsbewerbers
Nach § 10 Abs. 1 S. 1 StAG und § 8 Abs. 1 StAG setzt die Einbürgerung in den deutschen Staatsverband u.a. voraus, dass die Identität des Ausländers geklärt ist. Dieses Erfordernis ist mit dem Dritten Gesetz zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 4.8.2019 (BGBl I, S. 1124) in die Einbürgerungstatbestände eingefügt worden. Der Gesetzgeber hat damit die Rechtsprechung des BVerwG aufgegriffen, nach der es bereits zuvor (auch ohne ausdrückliche Normierung) zwingende Voraussetzung einer Anspruchseinbürgerung nach § 10 StAG war, dass die Identität des Einbürgerungsbewerbers geklärt ist und feststeht (BVerwGE 140, 311 Rn 11).
Das BVerwG stellt in seinem Urteil vom 23.9.2020 (1 C 36/19) heraus, dass das Merkmal der Identitätsklärung gewichtigen sicherheitsrechtlichen Belangen der Bundesrepublik Deutschland diene und Ausgangspunkt für die Prüfung weiterer Einbürgerungsmerkmale sei.
Die Voraussetzungen für die Klärung der Identität müssten so ausgestaltet sein, dass es bis zur Grenze der objektiven Möglichkeit und subjektiven Zumutbarkeit mitwirkenden Einbürgerungsbewerbern auch dann möglich bleibe, ihre Identität nachzuweisen, wenn sie sich in einer Beweisnot befänden, etwa weil deren Herkunftsländer nicht über ein funktionierendes Personenstandswesen verfügten oder ihre Mitwirkung aus Gründen versagten, die der Ausländer nicht zu vertreten habe, oder weil diese als schutzberechtigte Flüchtlinge besorgen müssten, dass eine auch nur gleichsam technische Kontaktaufnahme mit Behörden des Herkunftslandes Repressalien für Dritte zur Folge hätte.
Unter dem Blickwinkel des Verfassungsrechts bemerkt das BVerwG, die § 10 Abs. 1 S. 1 StAG und § 8 Abs. 1 StAG zugrunde liegenden sicherheitsrechtlichen Belange der Bundesrepublik Deutschland und das grundrechtlich geschützte Recht des Einbürgerungsbewerbers, eine Klärung seiner Identität bewirken zu können, seien im Rahmen einer gestuften Prüfung einem angemessenen Ausgleich zuzuführen.
Hinweis:
Den Nachweis seiner Identität hat der Einbürgerungsbewerber zuvörderst und i.d.R. durch Vorlage eines Passes, hilfsweise auch durch einen anerkannten Passersatz oder ein anderes amtliches Identitätsdokument mit Lichtbild (z.B. Personalausweis oder Identitätskarte) zu führen. Ist er nicht im Besitz eines solchen amtlichen Identitätsdokuments und ist ihm dessen Erlangung objektiv nicht möglich oder subjektiv nicht zumutbar, so kann er seine Identität auch mittels anderer geeigneter amtlicher Urkunden nachweisen. Ist der Einbürgerungsbewerber auch nicht im Besitz solcher sonstigen amtlichen Dokumente und ist ihm deren Erlangung objektiv nicht möglich oder subjektiv nicht zumutbar, so kann sich der Ausländer zum Nachweis seiner Identität sonstiger nach § 26 Abs. 1 S. 1 und 2 VwVfG zugelassener Beweismittel bedienen.
2. Einbürgerung bei Verweigerung des gebräulichen Händeschüttelns
Nach § 10 StAG ist ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und handlungsfähig nach § 37 Abs. 1 S. 1 StAG oder gesetzlich vertreten ist, auf Antrag einzubürgern, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er die in § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 7 StAG aufgezählten Voraussetzungen erfüllt und seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet, insb. er nicht gleichzeitig mit mehreren Ehegatten verheiratet ist; außerdem darf kein Ausschlussgrund nach § 11 StAG vorliegen. Die „Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse” ist ein unbestimmter Rechtsbegriff (vgl. BVerwG, Urteile vom 8.3.1988 – 1 C 55.86, juris Rn 12, und v. 29.5.2018 – 1 C 15.17, juris Rn 18 – jew. zu § 9 StAG a.F.), der der vollen gerichtlichen Prüfung unterliegt. Der Wortlaut verlangt zudem, dass die Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse durch den Einbürgerungsbewerber gewährleistet ist. Davon ausgehend fordert die Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse jenseits der stets vorauszusetzenden Bereitschaft zur Beachtung von Gesetz und Recht auch eine tätige Einordnung in die elementaren Grundsätze des gesellschaftlich-kulturellen Gemeinschaftslebens, die als unverzichtbare außerrechtliche Voraussetzungen eines gedeihlichen Zusammenlebens zu werten sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.5.2018 – 1 C 15.17, juris Rn 20).
Der VGH Baden-Württemberg hat in seinem Urteil vom 20.8.2020 (12 S 629/19; ESVGH 71, 63 = Asylmagazin 2020, 437 = ZAR 2020, 428 = NJW 2021, 483 = EzAR-NF 74 Nr. 7 = NVwZ 2021, 168 = VBlBW 2021, 109) angenommen, dass es bei einem Einbürgerungsbewerber an der Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse fehle, wenn er infolge einer fundamentalistischen Kultur- und Wertevorstellung das Händeschütteln, das aufgrund seiner gesellschaftlichen und rechtlichen Bedeutung Teil der deutschen Lebensverhältnisse sei, mit jeglicher Frau deshalb ablehne, weil sie ein anderes Geschlecht habe und damit per se als eine dem Mann drohende Gefahr sexueller Versuchung bzw. unmoralischen Handelns gelte.
3. Antrag auf Änderung des Familiennamens eines Pflegekinds aus wichtigem Grund
Wächst ein Kind etwa nach einer Scheidung der Eltern in einer neuen Familie auf, weil ein Elternteil erneut geheiratet und einen n...