Mit dieser Entscheidung hat der Erste Senat des BVerfG das Verfahren nach § 765a ZPO bei einer drohenden Räumungsvollstreckung nach § 885 ZPO beanstandet und mit seinen Ausführungen die grundsätzliche Linie der verfassungsgerichtlichen Judikatur bis zum heutigen Tage festgelegt. Da es gemäß BVerfG dafür auf die besonderen (tatsächlichen) Umstände des Einzelfalls ankommt, seien diese hier zumindest skizziert:
Nachdem einem 60-jährigen Mieter nach achtmonatiger Mietdauer wegen vertragswidriger Hundehaltung, Belästigungen und Mietrückständen gekündigt worden war, wurde er nach einer Prozessdauer von zweieinhalb Jahren zur Räumung der Wohnung binnen dreier Monate verurteilt. Da bereits das Prozessgericht eine Räumungsfrist nach § 721 ZPO gewährt hatte, stellte das Vollstreckungsgericht gem. § 765a ZPO die Räumungsvollstreckung befristet ein und wies den (weitergehenden) Antrag des Schuldners auf Untersagung der Räumungsvollstreckung zurück. Dies wurde damit begründet, dass der Vollstreckungsgläubiger zwar ein schutzwürdiges Interesse an der Vollstreckung des titulierten Anspruchs auf Räumung habe, jedoch die höherrangigen Belange des Vollstreckungsschuldners eine (auf vier Monate) begrenzte Untersagung der Vollstreckung rechtfertigten. Die dagegen gerichtete (sofortige) Beschwerde wies das LG zurück, obwohl der Schuldner ärztliche Atteste vorgelegt hatte, nach denen er körperlich (aufgrund eines schweren Herzschadens) und psychisch (wegen einer progressiven Depression) sehr krank sei. Insbesondere wurde geltend gemacht, dass nach drei ernsthaften Selbsttötungsversuchen die Gefahr bestehe, dass er bei einer Räumungsvollstreckung erhebliche gesundheitliche (insb. seelische) Schäden erleide, die zu akuter Lebensgefahr führen könnten. Zwar räumte das Landgericht ein, dass die Räumung zu einem erheblichen Angriff auf den (seelischen) Gesundheitszustand des Vollstreckungsschuldners und damit zu einer erheblichen „Härte” führe. Jedoch sei ihm diese zumutbar (und insoweit nicht „sittenwidrig”), zumal jede Vollstreckung zu solchen Härten führen könnten. Entscheidungsrelevant sei auch, dass bereits das Vollstreckungsgericht die Räumung befristet eingestellt habe und eine erneute Gewährung einer Einstellungsfrist oder die Untersagung der Räumungsvollstreckung mit einem „Stillstand der Rechtspflege” gleichzusetzen sei, da der Vollstreckungstitel damit praktisch „entwertet” werden würde. Außerdem hielt es das Landgericht für unbillig, die rechtskräftig festgestellte Räumungspflicht allein durch die Vorlage ärztlicher Atteste hinauszuschieben, da das nicht im Interesse einer „geordneten Rechtspflege” sei. Beide Instanzgerichte hatten den (angetretenen) Beweis über den körperlichen und seelischen Zustand des Vollstreckungsschuldners auch erhoben.