Damit betreffen die grundsätzlichen Ausführungen des BVerfG die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Auslegung und Anwendung des zivilprozessualen Vollstreckungsrechts, sowie die Aufgabenverteilung zwischen Fach- und Verfassungsgerichtsbarkeit gem. Art. 92, 93 GG (vgl. zu beidem bereits N. Fischer, Vollstreckungszugriff als Grundrechtseingriff, 2006, 115 ff.; N. Fischer Rpfleger 2004, 599 ff., 604, s. zuletzt auch N. Fischer ZfL 30, (2021), 1 ff.; jew. m.w.N.). Den Schwerpunkt der verfassungsgerichtlichen Kritik bildet dabei die fehlende Ausschöpfung aller Erkenntnisquellen für die Feststellung des Gesundheitszustandes des Vollstreckungsschuldners sowie die Begründungen für die Ablehnung des beantragten Vollstreckungsschutzes. Die Verletzung der Grundrechte des Vollstreckungsschuldners aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip gem. Art. 20 Abs. 3 GG (soweit isoliert auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit abgestellt wird) leitet das BVerfG bereits daraus ab, dass Amtsgericht und Landgericht bei der Verfahrensgestaltung i.R.v. § 765a ZPO die verfassungsrechtliche Schutzpflicht für „Leib und Leben” nicht ausreichend beachtet hätten. Hervorzuheben ist auch, dass der Erste Senat die Verpflichtung der Zivilgerichte zur „bestmöglichen Aufklärung” über die drohenden gesundheitlichen Folgen der Räumungsvollstreckung mit einer Interessenabwägung begründet, wenn er ausführt, dass die Interessen der Vermieter „keine sofortige Durchsetzung des Räumungsanspruchs erforderten” (so BVerfGE 52, 214 ff., 222). Die Beachtung und Würdigung der grundrechtlich geschützten Rechtsgüter Leben und Gesundheit des Vollstreckungsschuldners ist angesichts deren herausragender Stellung für das BVerfG so bedeutsam, dass allein die im Verfahren nach § 765a ZPO nicht erfolgte „Ausschöpfung” aller Erkenntnismittel bzgl. des gesundheitlichen Zustands maßgeblich die Grundrechtsgefährdung begründet. Dabei wird – in rechtsdogmatisch angreifbarer Weise – aufgrund des in der (drohenden) Räumungsvollstreckung liegenden „schwerwiegenden Eingriffs” eine neuerliche Abwägung der gegensätzlichen Interessen auf Gläubiger- und Schuldnerseite als notwendig angesehen, obwohl bereits ein rechtskräftiger Räumungstitel vorliegt und auch Räumungsaufschub gewährt wurde. Dabei führt die Güter- und Interessenabwägung aufgrund der schlechten gesundheitlichen Situation des Schuldners hier dazu, dass die Rechte der Vollstreckungsgläubiger deswegen zurücktreten müssen, weil die Interessen des Schuldners „ersichtlich wesentlich schwerer wiegen” (BVerfGE 52, 214 ff., 220; s. dazu bereits krit. N. Fischer WuM 2004, 257 ff., 260). Es droht damit die ebenso rechtspolitisch wie verfassungsrechtlich relevante Gefahr, dass eine solche tatbestandslose (verfassungsrechtliche) Güter- und Interessenabwägung außerhalb des (verfassungskonformen) Vollstreckungsrechts zu einer „Entwertung” des titulierten (Räumungs-)Anspruchs führen kann. Dies führt unweigerlich zu einer (im Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 GG relevante) Belastung für den Vollstreckungsgläubiger, ganz abgesehen von der damit verbundenen Infragestellung des rechtsstaatlich unverzichtbaren Selbsthilfeverbots. Diese verfassungsrechtlich determinierte Abwägung kann im Ergebnis (wie das BVerfG selbst einräumt) leicht zu einer „Totalverweigerung” des Vollstreckungszugriffs für Vollstreckungsgläubiger führen, wenn aus verfassungsgerichtlicher (d.h. vollstreckungsferner) Perspektive die Interessen des Vollstreckungsschuldners die des Vollstreckungsgläubigers „überwiegen”. Der (naheliegende) Vorwurf lautet, dass damit letztlich „Einzelfallgerechtigkeit” auf Kosten von Rechtssicherheit – und v.a. zu Lasten des Vollstreckungsanspruchs des Vollstreckungsgläubigers – hergestellt wird. Dieser wird auch nicht dadurch entkräftet, dass das BVerfG (abstrakt) ein „berechtigtes Interesse des Vollstreckungsgläubigers an einer alsbaldigen Vollstreckung” anerkennt. Entscheidend ist nämlich, dass dieses (durch das regelmäßig vorangehende Erkenntnisverfahren anerkannte) Interesse aufgrund der „besonderen Umstände des Einzelfalls” (der späteren Vollstreckung) gerade nicht durchgesetzt werden kann. Damit verwehrt das BVerfG dem Vollstreckungsgläubiger eine wirksame („effektive”) Vollstreckung und damit effektiven Rechtsschutz. Dies ist schon deswegen zu hinterfragen, da „der Vorwurf, der Gläubiger finde keinen ausreichenden Schutz”, der schwerste ist, „der gegen eine Vollstreckung erhoben werden kann” (so zutreffend Behr Rpfleger 1981, 417 ff., 419).