§ 765a Abs. 1 S. 1 ZPO ermöglicht Vollstreckungsschutz für den Schuldner auf dessen Antrag, wenn eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung „unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist”. Die tatbestandlich maßgebende „sittenwidrige Härte” kann sich dabei aus der Art und Weise, dem Ort oder dem Zeitpunkt der Vollstreckung ergeben – und ist stets nach einem objektiven Maßstab zu beurteilen (vgl. hier nur Seibel in: Zöller, 33. Aufl., § 765a ZPO, Rn 5, 7, 11 m.w.N.). Dies muss mit einer sorgfältigen Abwägung einhergehen, wobei die mit jeder Zwangsvollstreckung verbundenen – u.U. auch erheblichen – Härten gerade nicht ausreichend für eine Vollstreckungseinstellung auf der Grundlage von § 765a ZPO sind. Bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der sittenwidrigen „Härte” sind v.a. die Grundrechte des Vollstreckungsschuldners zu berücksichtigen, wobei besonders der Schutz von Leben und Gesundheit aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG im Vordergrund steht (s. Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, 76. Aufl., § 765a ZPO, Rn 1 f., 19; Seibel in Zöller, 33. Aufl., § 765a ZPO, Rn 5, 11; s.a. Scherer DGVZ 1995, 33 ff.; Bindokat NJW 1992, 2872 ff.; krit. N. Fischer WuM 2004, 257 ff., 258 f.). Folglich wird eine „sittenwidrige Härte” i.S.v. § 765a Abs. 1 S. 1 ZPO regelmäßig dann bejaht, wenn Gefahren für Leben und Gesundheit des Vollstreckungsschuldners oder seiner Angehörigen drohen (vgl. dazu etwa Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, 76. Aufl., § 765a ZPO, Rn 17 m.w.N.). Probleme für die Vollstreckungspraxis ergeben sich insb. daraus, dass nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG i.R.v. § 765a ZPO die Beachtung des (verfassungsrechtlichen) Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit von den Fachgerichten gefordert ist (s. BVerfGE 51, 97 ff., 113). Da bereits die (einfachrechtliche) Auslegung des „Härte”-Falls gem. § 765a Abs. 1 ZPO die Berücksichtigung von „unbilligen” Einzelfallumständen erlaubt, und die Norm zumindest tatbestandlich keine Verhältnismäßigkeitsprüfung für die (abzuwendende) Vollstreckung vorsieht (s. dazu m.w.N. z.B. Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, 76. Aufl., § 765a ZPO, Rn 2, 4 ff., 19; Seibel in Zöller, 33. Aufl., § 765a ZPO, Rn 2, 5, 11), stellt sich die Frage, ob und inwieweit mit dieser verfassungsgerichtlichen Vorgabe nur der (häufiger zu vernehmende) Appell an die Fachgerichte zur verfassungskonformen Auslegung und Anwendung des (jeweiligen) einfachen Rechts gemeint ist – oder das Vollstreckungsschutzverfahren nach § 765a ZPO bereits verfassungsgerichtlich überformt worden ist in ein Vollstreckungsschutzverfahren sui generis (so bereits Peters, FS Baur, 1981, 549). Eine wesentliche Rolle bei der Beantwortung dieser Frage spielt dabei der (letztlich ebenfalls ungeklärte) Streit, ob der „allgemeine Rechtsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit” als Maxime des Vollstreckungsrechts (vgl. z.B. §§ 803 Abs. 1 S. 2, Abs. 2, 812, 818 ZPO) oder als verfassungsrechtlicher Grundsatz im Vollstreckungs(schutz)recht zu berücksichtigen ist.
Große praktische Relevanz sowohl für die zivilprozessuale Wohnungsdurchsuchung wie für die Wohnungsräumung haben dabei besonders die Fälle der Vollstreckung von „Bagatellforderungen” (dazu Kirchner Rpfleger 2004, 395 ff.; N. Fischer Rpfleger 2004, 599 ff., 603; s. für die Rspr. nur LG Köln DGVZ 1991, 75; krit. insb. N. Fischer/Mroß DGVZ 2016, 67 ff. m.w.N.) sowie der Krankheit des Vollstreckungsschuldners oder eines Familienangehörigen (vgl. dazu Walker/Gruß NJW 1996, 352 ff.; Scherer DGVZ 1995, 33 ff.; Bindokat NJW 1992, 2872 ff.; Polzius DGVZ 1982, 97 ff., 101). Bei den letztgenannten Fällen stellt besonders der Vortrag akuter Suizidgefahr für den Vollstreckungsschuldner bei drohender Zwangsräumung die Praxis vor erhebliche Probleme – und ruft nicht selten das BVerfG (bzw. dessen Kammern, vgl. §§ 15a, 93b ff. BVerfGG) auf den Plan. In diesem Zusammenhang ist insb. auf den Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats des BVerfG vom 25.9.2003 (Az.: 1 BvR 1920/03, WuM 2004, 81 ff.) zu der praxisrelevanten Frage der Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung gegen Schwerkranke hinzuweisen. Dabei geht es zwar nicht um den Schutz vor Räumungsvollstreckung, sondern v.a. um die Immobiliarvollstreckung in Wohnungseigentum (§§ 864 Abs. 1, 869 ZPO i.V.m. ZVG), jedoch sind die Grundsätze dieser Entscheidung auch auf Räumungsvollstreckungsverfahren anwendbar. Dies folgt aus der Möglichkeit der Räumungsvollstreckung gegen den Besitzer aus dem Zuschlagsbeschluss gem. § 93 ZVG, da diesbezüglich § 765a Abs. 3 ZPO Anwendung findet (vgl. dazu Hüermann WuM 2004, 135 ff.; Schuschke WuM 2004, 137 ff.; jeweils m.w.N.).