Die eingangs aufgeworfene Frage nach der Relevanz der erneuten Befassung des BVerfG mit dem Vollstreckungsschutz gem. § 765a ZPO gegen eine Immobiliarvollstreckung kann wie folgt beantwortet werden (vgl. dazu auch N. Fischer, ZfL 30 (2021), 1 ff., 20 ff.):
Zum einen ist die Entscheidung vom 8.8.2019 der 3. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG aufschlussreich für Reichweite und Grenzen des Vollstreckungsschutzes gem. § 765a ZPO bei der Zwangsversteigerung. Zum anderen ist sie ein anschauliches Beispiel für das oft spannungsgeladene Verhältnis von Verfassungs- und zivilprozessualem Verfahrensrecht, da die Verfassungsbeschwerde – gerade auch in der zivilprozessualen Zwangsvollstreckung – in der Praxis häufig als außerordentlicher Rechtsbehelf zur „Verlängerung” des (zivilprozessualen) Rechtsweges verstanden und genutzt wird. Ungeachtet der allgemein geringen Erfolgsaussichten ist deren Erfolg im vorliegenden Fall insb. dem Umstand geschuldet, dass das BVerfG unsachgemäße Verfahrensweisen der Zivilgerichte zum Anlass nimmt, um korrigierend in deren Entscheidungen einzugreifen. Gemäß ständiger BVerfG-Rechtsprechung entfalten die Grundrechte dabei nicht nur „materielle” Wirksamkeit, sondern sie wirken auch direkt auf die einfachrechtliche Verfahrensgestaltung ein – und erzeugen dabei hohe Schutzpflichten zugunsten von Leib und Leben des Vollstreckungsschuldners. Angesichts der komplexen Handlungsanweisungen der Verfassungs- an die Fachgerichtsbarkeit („Maßnahmenplan”) ist die Beobachtung zutreffend, dass der „Schwarze Peter” in Fällen einer Suiziddrohung des Vollstreckungsschuldners regelmäßig bei den Beschwerdegerichten verbleibt (so zutreffend Zschieschack NZM 2017, 15 f., 15, mit dem Hinweis auf die diesbezügliche Überforderung der Rechtspfleger bei den Vollstreckungsgerichten, s. § 20 Nr. 17 RPflG).
Die geschilderten Auswirkungen für die Vollstreckungspraxis sind bereits deswegen nicht zu unterschätzen, weil mit der Berufung auf das Schutzgebot für Leben und Gesundheit des Vollstreckungsschuldners gem. Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG die Interessen des Vollstreckungsgläubigers regelmäßig zurückstehen müssen, obwohl auch diese (i.d.R. durch Art. 14 Abs. 1 GG) grundrechtlich geschützt sind. Ein gutes Anschauungsobjekt dafür bietet auch der Fall einer einstweiligen Anordnung bei Suizidgefahr vor drohender Räumungsvollstreckung aus einem Zuschlagsbeschluss, in dem die Abwägung zugunsten des Lebensschutzes und zu Lasten des Eigentumsschutzes des vollstreckenden Kreditinstituts ausfällt (vgl. BVerfG, 3. Kammer des Zweiten Senats, Beschl. vom 1.3.2019 – 2 BvR 305/19, BeckRS 2019, 2691). In den Fällen ernsthafter (physischer wie psychischer) Erkrankung des Vollstreckungsschuldners (mit Suizidgefahr) handelt es sich jedoch um eine besondere grundrechtliche Konfliktlage, die aufgrund des „absoluten Lebensschutzes” im Grunde keinen Raum für eine – verfassungsrechtliche oder auch nur einfachrechtliche – Güterabwägung lässt (dazu auch Walker/Gruß NJW 1996, 352 ff., 355, zur Frage der Abwägung von Leben und Gesundheit im Verhältnis von Vollstreckungsschuldner und -gläubiger; s.a. N. Fischer, Vollstreckungszugriff als Grundrechtseingriff, 2006, 129 f.). Hinzu kommt der rechtstatsächliche Umstand, dass die Berufung auf den grundrechtlichen Schutz von Leben und Gesundheit zumindest teilweise rechtsmissbräuchlich ist, „gegen die auch die Judikatur des BVerfG kein Rezept bietet” (so Gaul in Beys [Hrsg.], Grundrechtsverletzungen bei der Zwangsvollstreckung, 27 ff., 43). Um den nötigen (fach- oder verfassungsgerichtlichen) Schutz für einen tatsächlich suizidgefährdeten Vollstreckungsschuldner zu gewährleisten, ist eine Verfahrensgestaltung notwendig, die den Schutz elementarer Rechtsgüter des Vollstreckungsschuldners unter Beachtung aller Einzelfallumstände gewährleistet, ohne die rechtsstaatliche Aufgabe des Vollstreckungsrechts als „Rechtdurchsetzungsrecht” zu unterlaufen. Andernfalls droht die Gefahr, dass der „unkontrollierte” Einfluss des Verfassungsrechts auf die Vollstreckungsschutzmechanismen dazu führen kann, dass der Vollstreckungstitel letztlich „entwertet” wird. Zu Recht ist bereits angemerkt worden, dass das Bestehen einer Lebensgefahr (aufgrund ernsthafter Suiziddrohung vor Räumung) kaum einmal mit der nötigen Sicherheit von den (Fach-)Gerichten wird verneint werden können (s. nur Zschieschack NZM 2017, 15 f., 15). Die Rechtsfolge des § 765a Abs. 1 S. 1 ZPO, die Untersagung der sittenwidrigen Vollstreckungsmaßnahme, kann insb. bei Dauerhaftigkeit der Untersagung oder häufiger Wiederholung einer auch nur befristeten Einstellung der Vollstreckung zu einem (faktischen) „Vollstreckungsverbot” aus dem Räumungstitel führen. Dies ist nicht nur rechtsstaatlich (vgl. §§ 229 ff. BGB) und rechtspolitisch (im Blick auf drohende private Alternativen zur staatlichen Vollstreckung) fragwürdig, sondern auch in vollstreckungs- (vgl. §§ 721, 765a, 767 Abs. 2 ZPO) und verfassungsrechtlicher Hinsicht bedenklich. Wie etwa § 888 Abs. 3 ZPO zeigt, ist zu...