In seiner letzten Sitzung vor der parlamentarischen Sommerpause hat der Bundesrat am 7.7.2023 noch den Weg für viele Gesetzesvorhaben frei gemacht. Allerdings äußerten die Länder bei einigen der Vorlagen aus dem Bundeskabinett auch Änderungswünsche. Im Einzelnen:
Zugestimmt hat die Länderkammer insgesamt 17 Vorhaben, darunter der Reform des Sanktionenrechts. Diese Neuregelung halbiert den Umrechnungsmaßstab bei Ersatzfreiheitsstrafen: Künftig entsprechen zwei Tagessätze Geldstrafe einem Tag Freiheitsstrafe, um die Haftanstalten zu entlasten. In der Strafzumessung können Gerichte Tatmotive, die sich speziell gegen die sexuelle Orientierung – z.B. von Trans-Personen – richten, als menschenverachtende Beweggründe ausdrücklich strafschärfend berücksichtigen (vgl. dazu zuletzt auch ZAP 2023, 421).
Die Billigung des Bundesrats bekam auch die geplante Reform der Fachkräfteeinwanderung. Diese führt ein neues System mit drei Säulen ein, um ausländischen Fachkräften den Zuzug nach Deutschland zu erleichtern und damit dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Die zentrale Säule stellt dabei die sog. Fachkräftesäule dar, die sich mit der Gleichwertigkeit der ausländischen Berufsqualifikation befasst. Zukünftig kann eine Fachkraft jede qualifizierte Beschäftigung ausüben. Das Gesetz senkt zudem die bestehenden Gehaltsschwellen der „Blauen Karte EU” ab und erleichtert die Bedingungen für Berufsanfänger – ebenso die Regelungen zur Mobilität und zum Familiennachzug. Daneben wird die Einreise und die Aufnahme einer qualifizierten Beschäftigung ohne einen in Deutschland formal anerkannten Abschluss jetzt für alle Berufsgruppen geöffnet. Voraussetzung ist eine zweijährige einschlägige Berufserfahrung, ein Mindestgehalt sowie eine im Herkunftsland staatlich anerkannte mindestens zweijährige Ausbildung.
Bei Wahlen zum Europäischen Parlament gibt es künftig eine Zwei-Prozent-Hürde. Ein entsprechender Bundestagsbeschluss, dem der Bundesrat jetzt mit Zwei-Drittel-Mehrheit zugestimmt hat, sieht die Zustimmung Deutschlands zu einem vorangegangenen EU-Beschluss vor. Eine solche Mindestschwelle für die EU-Wahlen gab es im deutschen Wahlrecht nicht mehr, seit das BVerfG im Jahr 2014 die damals vorgesehene Sperrklausel mangels verbindlicher europarechtlicher Vorgaben für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt hat.
Den in der Vergangenheit aufgetretenen Engpässen in der Arzneimittelversorgung sollen ein neues „Frühwarnsystem” und eine Pflicht zur Lagerhaltung künftig vorbeugen. Dem entsprechenden Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz hat der Bundesrat am 7. Juli ebenfalls zugestimmt. In Zukunft besteht bei bestimmten patentfreien Arzneimitteln eine Pflicht zur mehrmonatigen Lagerhaltung. Für bestimmte Arzneimittel in der intensivmedizinischen Versorgung sind erhöhte Bevorratungsverpflichtungen für Krankenhausapotheken vorgesehen. Auch bei Krebsmedikamenten soll eine stärkere Bevorratung erfolgen. Ein „Frühwarnsystem” im Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte soll helfen, kurzfristig auftretende Engpässe in der Lieferkette rechtzeitig zu erkennen. Darüber hinaus enthält das Gesetz strukturelle Maßnahmen im Bereich der Festbeträge, Rabattverträge und der Versorgung mit Kinderarzneimitteln.
Im Bereich des Verbraucherschutzes hat die Länderkammer der Einführung eines neuen staatlichen Labels zur Tierhaltung zugestimmt. Die neue Kennzeichnung für Frischfleisch vom Schwein informiert Verbraucherinnen und Verbraucher künftig darüber, aus welcher der fünf definierten Haltungsformen – von Stall bis Bio – das Tier stammt. Flankierend erleichtert ein Gesetz entsprechende Stallumbauten.
In der Bundesratssitzung äußerten die Länder zudem Änderungswünsche zu Vorhaben, die ihr das Bundeskabinett zur Stellungnahme zugeleitet hatte. Diese betreffen u.a. die Gesetzespläne zur digitalen Dokumentation von Strafprozessen (vgl. dazu zuletzt ZAP 2023, 363) und zur Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit (vgl. dazu auch ZAP 2023, 7). Mit den teils umfangreichen und detaillierten Stellungnahmen muss sich nach der parlamentarischen Sommerpause nun die Bundesregierung befassen, bevor sie dem Bundestag zugeleitet werden können.
[Quelle: Bundesrat]