An dieser Stelle ist bereits mehrfach über die Kritik an der derzeitigen Ausgestaltung der juristischen Ausbildung berichtet worden. Zahlreiche Fachleute aus Politik, Wissenschaft und Lehre sowie auch Studierendenvertreter haben in den letzten Jahren immer wieder verdeutlicht, dass aus ihrer Sicht das Jurastudium hoffnungslos veraltet ist. Es dauere viel zu lange, die Stofffülle sei unangemessen hoch und für die Studierenden hänge am Ende alles von den abschließenden Examensprüfungen ab (vgl. bereits ZAP 2023, 642). Eine Umfrage des Bundesverbandes der rechtswissenschaftlichen Fachschaften ergab vor einigen Jahren, dass zwei Drittel der Absolventinnen und Absolventen das Jurastudium nicht weiterempfehlen würden (s. dazu auch ZAP 2021, 849). Inzwischen liegt eine Fülle an teils divergierenden Reformvorschlägen vor.
Einige Bundesländer haben mittlerweile auf die anhaltende Kritik reagiert und zumindest punktuelle Neuerungen auf den Weg gebracht (s. dazu auch ZAP 2022, 367). Nicht zuletzt nach den Erfahrungen in der Corona-Pandemie gibt es z.B. in mehreren Ländern bereits die Möglichkeit, im zweiten Staatsexamen eine Online-Prüfung abzulegen. Eine grundlegende Reform der Juristenausbildung lässt jedoch nach wie vor auf sich warten. Umso erstaunter waren Beobachter, als die jüngste Justizministerkonferenz in diesem Frühjahr (s. zu den wichtigsten Beschlüssen dort ZAP 2024, 602 ff.) die Notwendigkeit von Reformen schlicht verneinte. So gaben die Ressortchefs zum Tagesordnungspunkt „Zukunft der volljuristischen Ausbildung” bekannt: „Die Justizministerinnen und Justizminister stellen fest, dass die volljuristische Ausbildung sich bewährt hat [...]. Sie sind sich einig, dass grundlegender Reformbedarf nicht besteht.”
Diese Verlautbarung hat umgehend zu Protesten von Verbänden und Initiativen geführt, die sich seit Jahren für eine Verbesserung der juristischen Ausbildung einsetzen. So brachte die Initiative „iur.reform” einen offenen Brief auf den Weg, zu dessen Unterzeichnern u.a. auch der Deutsche Anwaltverein, die Neue Richtervereinigung, der Deutsche Juristinnenbund und der Bundesverband rechtswissenschaftlicher Fachschaften gehören; zahlreiche Vertreter aus Forschung und Lehre sowie aus der Praxis haben sich inzwischen dem Aufruf angeschlossen, den offenen Brief ebenfalls zu unterzeichnen. Darin heißt es, dass der Beschluss der Justizminister die „Realität verkenne” und eine „anachronistische Feststellung” sei, die den Ergebnissen unterschiedlicher Erhebungen und den Erkenntnissen unterschiedlicher Verbände und Initiativen widerspreche. Er habe die „Zeichen der Zeit” nicht erkannt und drohe, den Rückgang der Studierenden im Studiengang Rechtswissenschaften (um 20 % seit 2007) und damit den bereits jetzt offenkundigen und bis 2030 viel drastischer werdenden Fachkräftemangel noch zu beschleunigen.
Die Länderjustizminister werden in dem Brief aufgefordert, den Reformstau in der juristischen Ausbildung anzuerkennen und sich in eine „ernsthafte Auseinandersetzung” über die Zukunft der juristischen Ausbildung einzubringen. Es müsse jetzt einen offenen Prozess geben, bei dem Professoren, Studierende, Referendare, Richter, Staatsanwälte, Rechtsanwälte und Juristen aus Unternehmen und der Verwaltung eingebunden und beteiligt werden. Alle an einer Reform der Juristenausbildung Interessierten werden gebeten, sich diesem Aufruf mit ihrer Unterzeichnung anzuschließen (s. unter https://iurreform.de/offener-brief).
Der Deutsche Anwaltverein, der zu den Erstunterzeichnern des offenen Briefs zählt, hat sich zusätzlich mit einer eigenen Pressemitteilung an die Öffentlichkeit gewandt. Darin drückt er die Besorgnis aus, dass die Justizminister die „Sorgen und Bedürfnisse des Nachwuchses, aber auch der Berufsverbände” ignorierten. Es bedürfe dringend eines Umdenkens in den Ministerien. „Wir brauchen gerade in den kommenden Jahren juristischen Nachwuchs”, mahnte DAV-Hauptgeschäftsführerin Dr. Sylvia Ruge. Dafür müsse auch das Studium an Attraktivität gewinnen und an die Anforderungen der Gegenwart angepasst werden.
[Quellen: JuMiKo/iur.reform/DAV]