1. Grundsätze der BAG-Rechtsprechung
§§ 611a, 613 BGB i.V.m. § 242 BGB begründen einen Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers, geben ihm aber keine Beschäftigungsgarantie (vgl. BAG, Urt. v. 16.5.2019 – 6 AZR 329/18, NZA-RR 2019, 566). Der Arbeitgeber ist regelmäßig nicht gehindert, eine (freie) Organisationsentscheidung zu treffen, die zum Wegfall des Arbeitsplatzes führt. Ist eine vertragsgemäße Beschäftigung auf dem bisherigen oder einem anderen freien Arbeitsplatz nicht möglich, ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, für den von der Organisationsmaßnahme betroffenen Arbeitnehmer einen zusätzlichen Arbeitsplatz einzurichten (zum Beschäftigungsanspruch schwerbehinderter Menschen BAG, 2019, a.a.O.). Vom Arbeitgeber kann weder verlangt werden, auf die beschlossene Organisationsmaßnahme zu verzichten, wenn diese rechtlich nicht zu beanstanden ist, noch kann er gezwungen werden, seine Organisationsentscheidung mit dem Ziel zu modifizieren, eine Beschäftigungsmöglichkeit zu erhalten. Hierdurch würde die (freie) unternehmerische Entscheidung nicht nur kontrolliert, sondern ihr ggf. eine andere Gestalt gegeben. Dem Arbeitgeber kann auch unter Beachtung der jeweils aus Art. 12 Abs. 1 GG folgenden, gegenläufigen Grundrechtspositionen der Arbeitsvertragsparteien nicht vorgegeben werden, welche und wie viele Arbeitsplätze er in seinem Betrieb weiter vorzuhalten hat (vgl. zu § 626 Abs. 1 BGB BAG, Urt. v. 24.9.2015 – 2 AZR 562/14, NZA 2016, 366; zum Ganzen BAG, Urt. v. 15.6.2021 – 9 AZR 217/20, NZA 2021, 1625). Der Arbeitgeber ist grds. nicht gehalten, nicht mehr benötigte Arbeitsplätze und Arbeitskräfte weiterhin zu besetzen bzw. zu beschäftigen (= keine Pflicht des Arbeitgebers zur Vorhaltung einer Personalreserve, vgl. BAG, Urt. v. 15.12.2011 – 2 AZR 42/10, NZA 2012, 1044).
Es kommt dabei nicht darauf an, ob die dem Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung, etwa aus wirtschaftlichen Gründen, „dringend” war. Der Arbeitgeber ist – bis zur Grenze der Willkür – nicht gehindert, auch wirtschaftlich nicht zwingend notwendige Organisationsentscheidungen zu treffen (BAG, Urt. v. 28.2.2023 – 2 AZR 227/22, NJW 2023, 1531). Bei der Überprüfung unternehmerischer Entscheidungen stößt der allgemeine Kündigungsschutz deshalb an seine Grenzen (Schulz, ArbRAktuell 2021, 342). Eine unternehmerische Entscheidung, deren Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung von Arbeitnehmern entfallen lässt, ist gerichtlich nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (sog. Missbrauchskontrolle).
Nachzuprüfen ist aber, ob die fragliche Entscheidung tatsächlich umgesetzt wurde und dadurch das Beschäftigungsbedürfnis für einzelne Arbeitnehmer entfallen ist (vgl. BAG, 2021, a.a.O.; BAG, Urt. v. 20.12.2012 – 2 AZR 867/11, NZA 2013, 1003; LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 27.1.2022 – 2 Sa 242/21, juris). Die Entscheidung des Arbeitgebers, den Personalbestand auf Dauer zu reduzieren, gehört zu den sog. unternehmerischen Maßnahmen, die zum Wegfall von Arbeitsplätzen führen und damit den entsprechenden Beschäftigungsbedarf entfallen lassen können. Eine solche Unternehmerentscheidung ist hinsichtlich ihrer organisatorischen Durchführbarkeit und hinsichtlich des Begriffs „Dauer” zu verdeutlichen, um dem Gericht im Hinblick auf die gesetzlich dem Arbeitgeber auferlegte Darlegungslast (§ 1 Abs. 2 S. 4 KSchG) eine Überprüfung zu ermöglichen. Je näher die eigentliche Organisationsentscheidung an den Kündigungsentschluss rückt, umso mehr muss der Arbeitgeber durch Tatsachenvortrag verdeutlichen, dass ein Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer entfallen ist (BAG, Urt. v. 17.6.1999 – 2 AZR 141/99, NZA 1999, 1098; aktuell BAG, 2023, a.a.O.).
Im Kündigungsschutzprozess hat der Arbeitnehmer die Umstände darzulegen und ggf. zu beweisen, aus denen sich ergeben soll, dass die beschlossene Organisationsmaßnahme offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (BAG, 2023, a.a.O.; vgl. die nachstehenden Ausführungen zur (gestuften) Darlegungs- und Beweislast).
2. Streichung einer Hierarchieebene
Stützt der Arbeitgeber die Kündigung auf eine Unternehmerentscheidung, die lediglich in der Streichung einer Hierarchieebene (hierzu Laber, ArbRB 2024, 47) besteht, sind gesteigerte Anforderungen an seine Darlegungslast zu stellen. Besteht die unternehmerische Entscheidung nur im Abbau einer Hierarchieebene, verbunden mit einer Neuverteilung der dem betroffenen Arbeitnehmer bisher zugewiesenen Aufgaben, bedarf es der Konkretisierung dieser Entscheidung, damit geprüft werden kann, ob der Arbeitsplatz des betroffenen Arbeitnehmers tatsächlich weggefallen ist und die Entscheidung nicht offensichtlich unsachlich oder willkürlich ist. Der Arbeitgeber muss insb. konkret darlegen, in welchem Umfang die bisher von dem Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeiten zukünftig im Vergleich zum bisherigen Zustand entfallen (Soll-Ist-Vergleich). Er muss aufgrund seiner unternehmerischen Vorgaben di...