Im Anwendungsbereich des KSchG muss der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer, dessen bisheriger Arbeitsplatz weggefallen ist, eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit i.S.d. § 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 1b, S. 3 KSchG – ggf. im Wege der Änderungskündigung – auch dann anbieten, wenn sein unternehmerisches Konzept dahin geht, den zeitlich ungewissen Beschäftigungsbedarf mit einem Arbeitnehmer abzudecken, der wirksam befristet (weiter-)beschäftigt werden kann. Die Möglichkeit, mit einem Stellenbewerber wirksam eine Befristung zu vereinbaren, stellt kein beachtliches, tätigkeitsbezogenes Anforderungsprofil dar (vgl. BAG, Urt. v. 26.3.2015 – 2 AZR 417/14, NZA 2015, 1083).
Andererseits ist die Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers dem Arbeitgeber selbst bei Vorhandensein eines freien Arbeitsplatzes nur möglich, wenn der Arbeitnehmer dem Anforderungsprofil der freien Stelle entspricht (BAG, Urt. v. 27.7.2017 – 2 AZR 476/16, NZA 2018, 234; zur Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer bei gleichzeitig bestehenden freien Arbeitsplätzen im Unternehmen Hertzfeld/Steffens, NZA 2020, 1063).
Beachtenswert in diesem Zusammenhang ist, da sie dem Arbeitgeber Handlungsspielräume eröffnet, die aktuelle Entscheidung des Fünften Senats (BAG, Urt. v. 30.11.2022 – 5 AZR 336/21, NJW 2023, 1383). Im zugrundeliegenden Fall stritten die Parteien über die Wirksamkeit einer Versetzung ins Ausland, welche die Beklagte im Wege ihres Weisungsrechts und einer vorsorglichen Änderungskündigung vorgenommen hatte. In den Leitsätzen stellt der Fünfte Senat fest:
Zitat
„1. Der Arbeitgeber kann aufgrund seines Weisungsrechts nach § 106 S. 1 GewO dem Arbeitnehmer grundsätzlich auch einen Arbeitsplatz im Ausland zuweisen, wenn die möglichen Arbeitsorte nicht durch Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag oder gesetzliche Vorschriften auf das Inland begrenzt sind. Eine Beschränkung des Weisungsrechts auf Arbeitsorte in der Bundesrepublik Deutschland ist dem Arbeitsvertrag als solchem nicht immanent.
2. Die Zuweisung eines Arbeitsorts im Ausland unterliegt wie jede Ausübung des Weisungsrechts des Arbeitgebers nach § 106 S. 1 GewO, gem. § 315 Abs. 1 BGB einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle. Sofern die Weisung auf einer unternehmerischen Entscheidung beruht, kommt dieser besonderes Gewicht zu, ohne dass das unternehmerische Konzept auf seine Zweckmäßigkeit zu überprüfen wäre.”
Praxistipp:
Grenzüberschreitende Fallgestaltungen und Arbeitsverträge sind i.d.R. anspruchsvoll und können im Streitfall zu besonderen rechtlichen Problemen führen (vgl. zu kündigungsrechtlichen Herausforderungen Gumnior/Pfaffenberger, NZA 2019, 1326). Gerade in internationalen Konzernen mit Matrix- und agiler Organisation stellen sich insoweit immer wieder komplexe arbeitsrechtliche Fragen (vgl. Schweibert/Heimann, NZA 2024, 366; Schubert, NZA 2022, 145; Bachner, NZA 2019, 134; Fritz, NZA-Beilage 2018, 98).
§ 1 Abs. 2 KSchG im Zusammenspiel mit dem Vorrang der Änderungskündigung (vgl. BAG, Urt. v. 8.5.2014 – 2 AZR 1001/12, NZA 2014, 1200) stellt bei entsprechend qualifiziertem Vortrag des Arbeitnehmers hinsichtlich zumutbarer konkreter Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten im Kündigungsschutzprozess ein „scharfes Schwert” dar, das die Vergleichsbereitschaft des Arbeitgebers bei ungünstigen Erfolgsaussichten im Kündigungsschutzprozess oftmals deutlich erhöht.