In dem Urt. v. 15.6.2023 befasst sich das BVerwG mit der Rechtmäßigkeit des Betretens eines Zimmers in einer Aufnahmeeinrichtung anlässlich einer Überstellung eines Asylantragstellers nach Art. 29 VO (EU) Nr. 604/2013 Dublin III-VO (BVerwG, Urt. v. 15.6.2023 – 1 C 10.22, BVerwGE 179, 135 ff. = NVwZ 2023, 1750 ff.). Dabei führt das BVerwG unter Bezugnahme auf die verfassungsgerichtliche Rspr. und die unionsrechtlichen Vorgaben zunächst aus, dass es sich bei einem Zimmer, das einem Asylantragsteller in einer Aufnahmeeinrichtung zugewiesen ist (vgl. § 47 AsylG), grds. um eine Wohnung i.S.d. Art. 13 GG handele, unabhängig davon, ob das Zimmer zur alleinigen Nutzung oder Mitnutzung überlassen worden sei. Im Anschluss hieran widmet sich das BVerwG der Konturierung des Begriffs „Durchsuchung” i.S.v. Art. 13 Abs. 2 GG (bzw. § 58 Abs. 6 AufenthG). Diese erschöpfe sich nicht in einem Betreten der Wohnung, sondern umfasse als zweites Element die Vornahme von Handlungen in den Räumen. Kennzeichnend für die Durchsuchung sei dabei die Absicht, etwas nicht klar zutage Liegendes, vielleicht Verborgenes aufzudecken oder ein Geheimnis zu lüften, mithin das Ausforschen eines für die freie Entfaltung der Persönlichkeit wesentlichen Lebensbereichs, das unter Umständen bis in die Intimsphäre des Betroffenen dringen könne. Demgemäß mache die beim Betreten einer Wohnung unvermeidliche Kenntnisnahme von Personen, Sachen und Zuständen den Eingriff in die Wohnungsfreiheit noch nicht zu einer Durchsuchung. Auch die bloße Aufforderung an die sich in einer Wohnung aufhaltenden Personen, den Raum zu verlassen, stelle keine Durchsuchung der Wohnung dar, weil damit die öffentliche Gewalt nicht in der für Durchsuchungen typischen Weise in das private Leben des Bürgers und in die räumliche Sphäre, in der es sich entfalte, eindringe. Maßnahmen, die als Durchsuchung zu qualifizieren gewesen wären, konnte das BVerwG im Streitfall auf der Grundlage der bindenden tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz nicht feststellen. Dem Blick der Polizeivollzugsbeamten in das dem Kläger zugewiesene Zimmer (erster Handlungsabschnitt) habe es am Merkmal der ziel- und zweckgerichteten Suche nach Personen oder Sachen gefehlt, die sich im Verborgenen aufhalten; insoweit sei es bei einer bloßen Kenntnisnahme der tatsächlichen Gegebenheiten geblieben. Der – verwirklichte – Zweck des Betretens des Zimmers durch die Beamten in Begleitung des Klägers (zweiter Handlungsabschnitt) habe sich in der dort stattfindenden Entgegennahme der Identitätspapiere erschöpft, die sich nach den Angaben des Klägers dort befinden sollten und die der zu diesem Zeitpunkt noch kooperative Kläger auf Aufforderung selbst ausgehändigt habe. Auch insoweit mangele es an einer behördlichen Suchhandlung.
Die Rechtmäßigkeit dieser Maßnahmen bejahte das BVerwG auf der Grundlage von Art. 13. Abs. 7 GG. Dabei stellt das Gericht klar, dass bei Zimmern in einer Aufnahmeeinrichtung der Schutzanspruch nicht nach den Grundsätzen, die für das Betreten von Betriebs- und Geschäftsräumen gelten (vgl. hierzu BVerfG, Beschl. v. 13.10.1971 – 1 BvR 280/66, BVerfGE 32, 54 ff.; BVerfG, Urt. v. 17.2.1998 – 1 BvF 1/91, BVerfGE 97, 228 ff.), verringert sei, sondern voll durchgreife. Die nach Art. 13 Abs. 7 GG erforderliche dringende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung begründet das BVerwG mit der Erwägung, dass ohne die angegriffenen Maßnahmen die vorgesehene Überstellung des Klägers nach Italien nicht möglich gewesen wäre. Deren Fehlschlag hätte zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung mehrerer Rechtsgüter geführt. Der Fehlschlag hätte nicht nur die Durchführung der nach § 58 Abs. 1 S. 1 AufenthG i.V.m. § 34a Abs. 1 AsylG gesetzlich gebotenen und nicht ins behördliche Ermessen gestellten Abschiebung verhindert. Darüber hinaus habe die Gefahr bestanden, dass der Beklagte seinen unmittelbar aus dem Unionsrecht folgenden Pflichten nach der Dublin-III-VO, namentlich deren Art. 29, nicht hätte nachkommen können. Der Eingriff in das Wohnungsgrundrecht sei auch im Übrigen verhältnismäßig gewesen.