Der BGH hält die im Jahr 2013 eingeführten Bestimmungen über ärztliche Zwangsmaßnahmen für teilweise verfassungswidrig und will vom BVerfG klären lassen, ob die Regelungen gegen den Gleichheitssatz verstoßen.

Das Ausgangsverfahren vor dem BGH betrifft eine 63-jährige Frau, die neben ihrer Krebserkrankung unter einer schizoaffektiven Psychose leidet und deswegen unter rechtlicher Betreuung steht. Die Betroffene hat einer Behandlung der Krebserkrankung, die sie körperlich inzwischen sehr geschwächt hat, widersprochen.

Ihre Betreuerin beantragte beim Betreuungsgericht, die Unterbringung der Betroffenen in einer geschlossenen Einrichtung sowie ärztliche Zwangsmaßnahmen zur Behandlung des Brustkrebses zu genehmigen. Ohne eine ärztliche Behandlung sei eine unausweichliche Pflegebedürftigkeit und letztlich der Tod zu befürchten. Die Patientin könne aufgrund ihrer psychischen Erkrankung die Notwendigkeit von Unterbringung und Behandlung nicht erkennen und nicht nach dieser Einsicht handeln.

AG und LG lehnten allerdings das Ersuchen der Betreuerin ab. Die Betroffene sei bettlägerig und zeige auch keinerlei "Weglauftendenzen". Ohne eine geschlossene Unterbringung gestatte das Gesetz aber auch keine ärztlichen Zwangsmaßnahmen, so die Gerichte.

Der nun mit dem Fall befasste XII. Zivilsenat des BGH hat jetzt den Fall dem BVerfG vorgelegt. Karlsruhe soll klären, ob die Regelungen zur Zwangsunterbringung und Zwangsbehandlung gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen (BGH, Beschl. v. 1.7.2015 – XII ZB 89/15).

Insbesondere will der BGH wissen, warum eine in stationärem Rahmen erfolgende ärztliche Maßnahme nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB gegen den Willen des Betroffenen nur möglich ist, wenn der Betroffene zivilrechtlich untergebracht ist, nicht jedoch, wenn eine freiheitsentziehende Unterbringung ausscheidet, weil der Betroffene sich der Behandlung räumlich nicht entziehen will oder aus körperlichen Gründen nicht entziehen kann. Einen hinreichenden Grund für diese Differenzierung können die höchsten deutschen Zivilrichter nicht erkennen.

[Quelle: lto]

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