Arbeitsvertragliche Versetzungsvorbehalte können Art, Inhalt und Ort der Tätigkeit des Arbeitnehmers betreffen (vgl. hierzu auch nachstehend III. und IV.; zum Weisungsrecht allgemein Busemann NZA 2015, 705, 707; Lunk/Holthausen, AnwaltFormulare Arbeitsrecht, 2. Aufl., § 1a Rn. 1493 ff.). Sie stellen ein wichtiges Instrument zur Flexibilisierung des Arbeitseinsatzes dar (mit einem Überblick über die Rechtsprechung des BAG nach der Schuldrechtsreform Reinecke NZA-RR 2013, 393). Differenziert wird zwischen Versetzungsvorbehalten, die das arbeitgeberseitige Direktionsrecht (§ 106 GewO) nur konkretisieren und "echten" Versetzungsklauseln, die das arbeitgeberseitige Direktionsrecht erweitern (vgl. BAG v. 25.8.2010 – 10 AZR 275/09, a.a.O.; BAG v. 13.4.2010 – 9 AZR 36/09, AP Nr. 45 zu § 307 BGB).
Ergibt die vorrangige Vertragsauslegung, dass sich der Arbeitgeber mit dem Vorbehalt der Versetzung über § 106 GewO hinaus ein Recht zur Vertragsänderung vorbehält, unterliegt die Regelung der Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB. Ergibt die Auslegung, dass ein bestimmter Leistungsinhalt vereinbart wurde, ist der Arbeitgeber an diesen gebunden, wenn ein zusätzlich vereinbarter Versetzungsvorbehalt der Angemessenheitskontrolle nicht standhält (BAG v. 25.8.2010 – 10 AZR 275/09, Rn. 26 und 30, a.a.O.).
Nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB ist es nicht zwingend notwendig, Ankündigungsfristen oder den zulässigen Entfernungsradius in Versetzungsklauseln aufzunehmen. § 106 GewO sowie entsprechende Versetzungsklauseln tragen dem im Arbeitsrecht bestehenden spezifischen Anpassungs- und Flexibilisierungsbedürfnis Rechnung.
Hinweis:
Festlegungen durch Vorgaben hinsichtlich der Regionen, des Entfernungsradius und der Mindestkündigungsfristen, um dem Arbeitnehmer Klarheit zu verschaffen, innerhalb welcher Grenzen und Fristen der Arbeitgeber von seiner örtlichen Versetzungsbefugnis Gebrauch machen will, sind zwar wünschenswert, jedoch nicht zwingend zur Vermeidung einer unangemessenen Benachteiligung i.S.v. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB erforderlich (BAG v. 13.4.2010 – 9 AZR 36/09, Rn. 31 f., a.a.O.).
Beispiel 1 – Versetzungsklausel Arbeitsort:
(vgl. BAG v. 13.4.2010 – 9 AZR 36/09, a.a.O., weitere Beispiele aus der Vertragspraxis bei Hümmerich NZA 2003, 753):
Der Arbeitgeber behält sich das Recht vor, die Arbeitnehmerin/den Arbeitnehmer bei Bedarf auch an einem anderen Arbeitsort und/oder bei einer anderen Gesellschaft des Konzerns X entsprechend ihrer/seiner Vorbildung, Kenntnissen und Fähigkeiten für gleichwertige Tätigkeiten bei gleicher Vergütung einzusetzen. Hierbei werden ihre/seine persönlichen Belange angemessen berücksichtigt.
Beispiel 2 – Versetzungsklausel Arbeitsort:
(vgl. Maaß, Beck Personal-Formulare Edition 9/2015)
Unter Wahrung der Interessen der Arbeitnehmerin/des Arbeitnehmers kann der Arbeitgeber der Arbeitnehmerin/dem Arbeitnehmer eine ihrer/seiner Berufsausbildung und Qualifikation sowie ihren/seinen Fähigkeiten und Kenntnissen entsprechende andere gleichwertige Aufgabe zu gleichen Bezügen und zu ansonsten unveränderten Vertragsbedingungen übertragen und sie/ihn hierzu auf einen anderen Arbeitsplatz – auch an einen anderen Arbeitsort – versetzen. Auch eine längere Beschäftigung mit bestimmten Aufgaben beeinträchtigt den vorstehenden Versetzungsvorbehalt nicht.
Die Ausübung des Versetzungsvorbehalts unterliegt billigem Ermessen (§ 315 BGB). Die Leistungsbestimmung nach diesem Prüfungsmaßstab verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach den verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und der Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und der Zumutbarkeit. Das gebietet eine Berücksichtigung und Bewertung der Interessen unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls. Hierzu gehören im Arbeitsrecht die Vorteile aus einer Regelung, die Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien, die beiderseitigen Bedürfnisse, außervertragliche Vor- und Nachteile, Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie soziale Lebensverhältnisse wie familiäre Pflichten und Unterhaltsverpflichtungen (BAG v. 13.4.2010 – 9 AZR 36/09, Rn. 40, a.a.O.).
Hinweis:
Aus Arbeitgebersicht ist der Flexibilisierungsnutzen eines Versetzungsvorbehalts stets gegen das Risiko einer erweiterten Weiterbeschäftigungspflicht und Sozialauswahl im Fall der betriebsbedingten Kündigung abzuwägen.