Auch die im Arbeitsrecht praktisch ungemein bedeutsamen Ausschlussfristen (synonym: Verfallfristen bzw. -klauseln) unterliegen in Form einzelvertraglicher Regelungen einer AGB-Kontrolle (vgl. BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111; Lakies ArbRAktuell 2013, 318). Zu unterscheiden sind ein- und zweistufige Ausschlussfristen. Während die einstufige Ausschlussfrist nur die rechtzeitige schriftliche Geltendmachung fordert, setzt die zweistufige Ausschlussfrist nach ordnungsgemäßer, fristgerechter Einhaltung der ersten Stufe auch die fristgerechte Klageerhebung (zweite Stufe) voraus. Fehler bei der Einhaltung wirksamer Ausschlussfristen (Frist von mindestens drei Monaten für jede Stufe vgl. BAG v. 19.12.2007 – 5 AZR 1008/06, NZA 2008, 464; BAG v. 28.9.2005 – 5 AZR 52/05, NZA 2006, 149) führen zu einem Erlöschen/Verfall des Anspruchs, auf den die Klausel wegen der Bedeutung der damit verbundenen Rechtsfolgen ausdrücklich hinweisen muss (vgl. BAG v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, NZA 2006, 324). Die rechtsvernichtende Wirkung von Ausschlussfristen ist im Gegensatz zur Einrede der Verjährung (§ 214 BGB) von dem Gericht von Amts wegen zu berücksichtigen.
§ 202 Abs. 1 BGB erfasst nicht nur Vereinbarungen über die Verjährung, sondern auch über Ausschlussfristen. Es handelt sich um eine Verbotsnorm i.S.v. § 134 BGB. Eine zwischen den Parteien des Arbeitsvertrags vereinbarte Ausschlussfrist ist dahingehend auszulegen, dass sie nur die von den Parteien für regelungsbedürftig gehaltenen Fälle erfassen soll.
Ohne besondere Hinweise im Einzelfall ist eine Anwendung auch auf die Fälle, die durch zwingende gesetzliche Verbote oder Gebote geregelt sind, regelmäßig gerade nicht gewollt (vgl. zur entsprechenden Auslegung und damit verbundenen geltungserhaltenden Reduktion BAG v. 20.6.2013 – 8 AZR 280/12, NZA 2013, 2452).
Erfasst eine Ausschlussfrist nach ihrem Wortlaut "alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis..." und somit auch eine Haftung wegen Vorsatzes, ist sie folglich gleichwohl i.d.R. einschränkend dahin auszulegen, dass von ihr diese fernliegende und weitreichende Möglichkeit einer Haftung nicht erfasst wird. Sollte die Klausel gleichwohl auch diese Ansprüche erfassen, wäre sie insoweit teilnichtig (vgl. Schaub/Linck, ArbR-Hdb., 15. Aufl., § 35 Rn. 61; BAG v. 28.9.2005 – 5 AZR 52/05, NZA 2006, 149; BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111).
Stets sollten Arbeitgeber im Interesse einer wirksamen Einbeziehung bei der Verwendung von Ausschlussfristen darauf achten, dass diese nicht an verdeckter Stelle oder unter einer irreführenden, den Regelungsgehalt verdeckenden Überschrift in dem Vertragsformular auftauchen. Einseitige Ausschlussfristen in Formulararbeitsverträgen, die nur für den Arbeitnehmer zum Anspruchsverlust führen, widersprechen einer ausgewogenen Vertragsgestaltung und sind deshalb nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam (vgl. BAG v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, NZA 2006, 324; Preis/Roloff RdA 2005, 144).
Einschränkungen, die insbesondere Arbeitgeber in Rechtsstreiten "einpreisen" sollten, erfahren Ausschlussfristen durch den Beschluss des BVerfG (v. 1.12.2010 – 1 BvR 1682/07, NZA 2011, 354 "effektiver Justizgewährungsanspruch"). Ein Arbeitnehmer macht mit der Erhebung einer Bestandsschutzklage (Kündigungsschutz- oder Befristungskontrollklage, nicht aber Beschäftigungsklage vgl. BAG v. 19.11.2014 – 5 AZR 121/13, NZA-RR 2015, 255) die von deren Ausgang abhängigen Vergütungsansprüche "gerichtlich geltend" und wahrt damit die zweite Stufe einer (tariflichen) Ausschlussfrist (BAG v. 19.9.2012 – 5 AZR 627/11, NZA 2013, 101; BAG v. 19.5.2010 – 5 AZR 253/09, NZA 2010, 939).
Hinweis:
Um eine Intransparenz der im Arbeitsvertrag verwandten Ausschlussfristen auszuschließen, sollte trotz der vom BAG ggf. durchgeführten geltungserhaltenden Reduktion (vgl. BAG v. 20.6.2013 – 8 AZR 280/12, a.a.O.) klargestellt werden, dass Mindestlohnansprüche (§ 3 S. 1 MiLoG) von der Klausel nicht erfasst werden (Preis/Lukes ArbRB 2015, 153, 156).
Beispiel – Zweistufige Ausschlussfrist:
(vgl. Preis/Lukes ArbRB 2015, 153, 156 f., Küttner/Röller, Personalbuch 2015, M 13.2)
- Die beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und alle Ansprüche, die mit ihm im Zusammenhang stehen – mit Ausnahme von Ansprüchen, die aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit sowie aus vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzungen des Arbeitgebers oder seines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen oder des Arbeitnehmers resultieren – müssen innerhalb von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit, schriftlich gegenüber der anderen Vertragspartei geltend gemacht werden (zu einer alternierenden, auf die Kenntnis des Anspruchsinhabers abstellenden Regelung vgl. Lakies ArbRAktuell 2013, 318, 320).
- Lehnt die andere Vertragspartei den nach 1. geltend gemachten Anspruch schriftlich ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von einem Monat nach der Geltendmachung des Anspruchs, verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von drei Monaten nach der...