Wird im sozialgerichtlichen Verfahren Beweis erhoben, so gilt für die Durchführung der Beweisaufnahme § 118 SGG. Verwiesen wird in § 118 Abs. 1 S. 1 SGG auf Bestimmungen der ZPO. Beim Sachverständigenbeweis sind die bei Beweis durch Sachverständige einschlägigen Vorschriften der §§ 402414 ZPO anzuwenden.

Nach § 411 Abs. 3 ZPO kann das Gericht das Erscheinen des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung anordnen, damit er das schriftliche Gutachten erläutert. Der Antrag auf Befragung eines Sachverständigen muss, auch wenn das Gericht den Beteiligten keine Frist nach § 114 Abs. 4 S. 2 ZPO setzt, rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung gestellt werden, damit der Sachverständige geladen und eine Vertagung vermieden werden kann. Ferner ist der Fragekomplex konkret zu umschreiben – hierbei müssen keine Fragen formuliert werden, ausreichend ist es, die erläuterungsbedürftigen Punkte hinreichend konkret zu bezeichnen (s. bereits BSG v. 12.4.2000 – B 9 VS 2/99 R). Die Fragen müssen ferner objektiv sachdienlich sein, die zuletzt genannte Einschränkung ergibt sich aus § 116 S. 2 SGG. Sachdienlichkeit liegt insbesondere vor, wenn sich die Fragen im Rahmen des Beweisthemas halten und nicht abwegig oder bereits beantwortet sind.

Während die sozialgerichtliche Rechtsprechung eine Verpflichtung zur Ladung des Sachverständigen im Termin nur dann für geboten hält, wenn sich die Tatsachengerichte nicht anderweitig Klarheit über die erhobenen Einwendungen machen können – z.B. durch schriftliche Nachfragen – steht die zivilrechtliche Rechtsprechung – insofern großzügiger – auf dem Standpunkt, auf Antrag einer Partei sei das Gericht unabhängig von der Vorschrift des § 411 Abs. 3 ZPO zur Ladung des Sachverständigen verpflichtet (vgl. Greger in: Zöller, ZPO, 30. Aufl. § 411 Rn. 5a m.w.N.).

Unter Berücksichtigung der vorgenannten Grundsätze hat das BSG es beanstandet, dass das Berufungsgericht den im Termin zur mündlichen Verhandlung gestellten Antrag des Klägers, den Sachverständigen zur Frage des zeitlichen Eintritts des Versicherungsfalls ergänzend anzuhören. Der Kläger hatte zuvor hinsichtlich des vom Sachverständigen angenommenen Zeitpunkts des Eintritts der Erwerbsminderung konkrete Einwendungen erhoben und zum Beleg eines früheren Eintritts, verbunden mit einer früheren Aufgabe seiner Erwerbstätigkeit verschiedene ärztliche Bescheinigungen vorgelegt. Das LSG hatte diesen und andere Beweisanträge für nicht erforderlich angesehen, da der medizinische Sachverhalt geklärt sei. Die auf § 160 Abs. 2 Nr. 3 SGG gestützte Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision war im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung (s. § 160a Abs. 5 SGG) erfolgreich (7.8.2014 – B 13 R 439/13 B). Verletzt war nach Auffassung des BSG nicht nur § 118 Abs. 1 S. 1 SGG, sondern auch § 116 S. 2 SGG. Das Gericht entscheidet, dass unabhängig davon, ob ein Gutachten von der Tatsacheninstanz für erläuterungsbedürftig gehalten wird, das Fragerecht dem Antragsteller erlauben soll, im Rahmen des Beweisthemas aus seiner Sicht unverständliche, unvollständige oder auch widersprüchliche Ausführungen eines Sachverständigen zu hinterfragen, um auf das Verfahren Einfluss zu nehmen und die Grundlagen der gerichtlichen Entscheidung verstehen zu können (s. Rn 12 der Entscheidungsgründe).

Im Rahmen des Revisionsverfahrens (BSG v. 14.10.2014, B 1 KR 96/14 B) hatte die Klägerin gerügt, der Sachverständige habe das Gutachten entgegen § 407a Abs. 2 S. 1 ZPO nicht persönlich erstellt, sondern durch einen anderen Arzt erstellen lassen. Die Klägerin hatte unter entsprechendem Vortrag die Ladung des Sachverständigen zum Termin gem. § 118 Abs. 1 SGG beantragt. Das LSG war dem mit der Begründung nicht gefolgt, weil der beauftragte Sachverständige das Gutachten mit der Formulierung "einverstanden aufgrund eigener Untersuchung und Urteilsbildung" unterzeichnet hat. Dies belege, so das BSG, angesichts der sofort geltend gemachten und abweichenden Darstellung der Klägerin nicht, dass der Sachverständige die Klägerin tatsächlich persönlich untersucht hat. In einem solchen Fall müsse das Tatsachengericht, wenn es nicht anderweitig Klarheit über die Verwertbarkeit des Gutachtens erzielen will, den Sachverständigen auf Antrag des Betroffenen zur Erläuterung des Umfangs seiner Mitwirkung zur mündlichen Verhandlung laden.

Auch hier war die wegen eines Verfahrensmangels erhobene Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision erfolgreich.

 

Hinweis:

Die Verfahrensmängel, auf die die Nichtzulassungsbeschwerde gestützt wird (§ 160a SGG i.V.m. § 160 Abs. 2 Nr. 3 SGG), sind zu bezeichnen. Dies macht es erforderlich, dass in der Beschwerdebegründung diejenigen Tatsachen, aus denen sich der Mangel ergeben soll, substantiiert dargetan werden. Erfolgreich ist die Beschwerde ferner nur dann, wenn auf dem Verfahrensmangel die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Es reicht aus, dass die Möglichkeit des Beruhens vorliegt, wovon in den Fällen, wie den vorliegenden, ausgegangen werden kann, we...

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