Gemäß § 7 Abs. 2 SGB VII schließt in der gesetzlichen Unfallversicherung verbotswidriges Handeln einen Versicherungsfall nicht aus. Allerdings können unter den Voraussetzungen des § 101 Abs. 2 SGB VII in den dort genannten Fällen Leistungen ganz oder teilweise versagt oder entzogen werden. Schließlich haben gem. § 101 Abs. 1 SGB VII Personen, die den Tod von Versicherten vorsätzlich herbeigeführt haben, keinen Anspruch auf Leistungen.
Wegen der zuletzt genannten Vorschrift hatte die beklagte BG Hinterbliebenenleistungen (§§ 63 ff. SGB VII) in einem Fall abgelehnt, in dem ein Versicherter sich bei einem Versicherungsfall im Jahre 2006 ein schweres Schädel-Hirntrauma mit Bewusstseinsverlust zugezogen hatte. Es bestand ein dauerhaftes Wachkoma, willkürliche Reaktionen waren nicht mehr möglich. Der Versicherte war vollständig auf pflegerische Hilfe angewiesen und wurde künstlich über eine Magensonde ernährt. Nachdem ärztlich im März 2010 festgestellt worden war, dass eine positive Veränderung des Gesundheitszustands nicht mehr zu erwarten sei, entschloss sich seine Ehefrau – gleichzeitig seine Betreuerin – gemeinsam mit den erwachsenen Söhnen, den Versicherten dadurch sterben zu lassen, dass sie im Juli 2010 die der Ernährung dienende Magensonde durchtrennten. Bei diesem Handeln beriefen sie sich darauf, dass sich der Verletzte vor seinem Unfall wiederholt und ganz klar geäußert habe, nicht durch lebensverlängernde Maßnahmen weiterleben zu wollen. Eine Patientenverfügung (§ 1901a BGB) war nicht erstellt worden. Der Versicherte starb dann wenige Tage später an Unterernährung, ohne das Bewusstsein wieder erlangt zu haben.
Die Klage hatte in allen Instanzen Erfolg (BSG v. 4.12.2014 – B 2 U 18/13 R). Das BSG geht davon aus, dass der Tod des Versicherten rechtlich wesentlich auf Grund des Arbeitsunfalls aus 2006 gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII eingetreten ist. Das BSG führt hierzu aus: Die versicherte Tätigkeit in der gesetzlichen Unfallversicherung gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII i.V.m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII umfasst nach dem 3. Betreuungsrechtsänderungsgesetz vom 29.7.2000 insbesondere den in § 1901a BGB zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers, auch die durch die Autonomie und Menschenwürde (Art. 1 GG) des einzelnen Versicherten getragene Entscheidung, keine lebensverlängernden Maßnahmen erdulden zu müssen, wenn aufgrund eines Arbeitsunfalls so schwere Verletzungen vorliegen, wie im vorliegenden Fall. Rechtlich wesentliche und daher vom Schutzzweck des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII noch umfasste (Mit-)Ursache für den Tod des Versicherten im Juli 2010 waren mithin seine Verletzungen aus dem Arbeitsunfall aus 2006. Das Berufungsgericht hatte zum Sachverhalt bindend (§ 163 SGG) festgestellt, dass der Behandlungsabbruch bzw. die Durchtrennung der Magensonde dem mutmaßlichen Willen des Versicherten entsprach, den gem. § 1901a Abs. 2 S. 1 BGB die Ehefrau als Betreuerin zu ermitteln hatte. Ferner hatte das Berufungsgericht seinerseits im Einzelnen Feststellungen dazu getroffen, dass und warum die Klägerin und ihre erwachsenen Söhne den mutmaßlichen Willen des Versicherten zutreffend wiedergegeben haben.
Die Vorschrift des § 101 Abs. 1 SGB VII wendet das Gericht wegen der vorsätzlichen Herbeiführung des Todes durch straffreien Behandlungsabbruch nicht an. Hinsichtlich der Straffreiheit des Behandlungsabbruchs im vorliegenden Geschehensablauf verweist das BSG auf die Grundsätze des BGH zu Fällen der gerechtfertigten Sterbehilfe durch Behandlungsabbruch (25.6.2010 – 2 StR 454/09, NJW 2010, 2963). Das LSG hatte entschieden, dass bei der Klägerin die Voraussetzungen eines straffreien Behandlungsabbruchs vorliegen und die Entscheidung der Staatsanwaltschaft über die Einstellung des Strafverfahrens gegen die Klägerin nach § 170 Abs. 2 StPO aufgrund eigener Feststellungen nachvollzogen.