a) Bestrittene Auftragserteilung
Wendet der als Auftraggeber in Anspruch genommene Antragsgegner im Vergütungsfestsetzungsverfahren ein, er habe dem den Antrag stellenden Rechtsanwalt keinen die verfahrensgegenständliche Vergütung auslösenden Auftrag erteilt, stellt dies im Regelfall einen zur Ablehnung der Vergütungsfestsetzung führenden außergebührenrechtlichen Einwand dar. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Rechtsanwalt eine entsprechende Prozessvollmacht vorlegt (s. KG JurBüro 1982, 1185 = AnwBl 1982, 375; OLG Frankfurt JurBüro 1982, 227). Dieser Einwand ist nur dann als "offensichtlich aus der Luft gegriffen" unberücksichtigt zu lassen, wenn sich dem sonstigen Vorbringen des Antragsgegners oder dem Inhalt der Prozessakten Gegenteiliges entnehmen lässt.
Das BVerfG hatte über eine Erinnerung des antragstellenden Rechtsanwalts gegen die Entscheidung der Rechtspflegerin des BVerfG zu befinden, die die Vergütungsfestsetzung gem. § 11 Abs. 5 RVG abgelehnt hatte. In jenem Fall hatte die Antragsgegnerin trotz der vorliegenden Prozessvollmacht die Erteilung eines Auftrags zur Einlegung der Verfassungsbeschwerde bestritten. Hierzu hatte sie vorgebracht, sie habe den Anwalt vor Einlegung der Verfassungsbeschwerde "unter Zeugen" ausdrücklich darum gebeten, von der Einlegung abzusehen.
Das BVerfG (RVGreport 2016, 252 [Hansens]) hat die Erinnerung des Rechtsanwalts hiergegen zurückgewiesen. Dies hat das BVerfG damit begründet, die Antragsgegnerin habe die Erteilung des Auftrags zur Erhebung der Verfassungsbeschwerde in Abrede gestellt, obwohl sie dem Rechtsanwalt hierzu die vorliegende Vollmacht erteilt hatte. Diese Vollmacht enthalte zwar ihrem Wortlaut nach auch eine Auftragserteilung. Ob und inwieweit aber möglicherweise dazu ergänzende Absprachen getroffen worden seien und ob die Antragsgegnerin vor Einlegung der Verfassungsbeschwerde – wie sie behauptet habe – den Rechtsanwalt ausdrücklich darum gebeten habe, davon (von der Einlegung der Verfassungsbeschwerde) abzusehen, sei im Vergütungsfestsetzungsverfahren nicht zu klären.
Diesen Ausführungen des BVerfG, das nur sehr selten mit Erinnerungen im Vergütungsfestsetzungsverfahren gem. § 11 RVG befasst ist, kann m.E. nicht in allen Punkten zugestimmt werden. Zunächst enthält eine Vollmacht, jedenfalls wenn es sich um eine Prozessvollmacht nach den §§ 80 ff. ZPO handelt, im Regelfall ihrem Wortlaut nach keine Auftragserteilung. Darin wird der Rechtsanwalt im Außenverhältnis lediglich zu den in § 81 ZPO aufgeführten Prozesshandlungen ermächtigt. Ob dem auch eine entsprechende Auftragserteilung des Vollmachtgebers zugrunde liegt, ergibt sich aus den schuldrechtlichen Vereinbarungen zwischen dem Rechtsanwalt und dem Auftraggeber. Die Erteilung einer Vollmacht kann jedoch ein Indiz für eine entsprechende Auftragserteilung sein. Wie vorstehend erörtert, wird jedoch das Bestreiten der Auftragserteilung trotz vorliegender Prozessvollmacht einen zur Ablehnung der Vergütungsfestsetzung führenden außergebührenrechtlichen Einwand darstellen.
Das BVerfG hat jedoch nicht berücksichtigt, dass nach dem eindeutigen Wortlaut des § 11 Abs. 5 S. 1 RVG die Vergütungsfestsetzung abzulehnen ist, soweit der Antragsgegner Einwendungen oder Einreden außergebührenrechtlicher Art erhebt. Deshalb muss im Vergütungsfestsetzungsverfahren geprüft werden, welche Auswirkungen die Einwendungen auf den konkreten Vergütungsanspruch haben. Im Fall des BVerfG hatte die Antragsgegnerin nicht die Auftragserteilung schlechthin bestritten. Sie hatte vielmehr lediglich geltend gemacht, sie habe den Rechtsanwalt ausdrücklich gebeten, von der Einlegung der Verfassungsbeschwerde abzusehen.
Praxishinweis:
Gebührenrechtlich hat dies zur Folge, dass – bei der zu unterstellenden Richtigkeit des Vorbringens der Antragsgegnerin – der Rechtsanwalt nicht einen die volle Verfahrensgebühr auslösenden Schriftsatz einreichen sollte (s. § 37 Abs. 2 S. 1 RVG i.V.m. Teil 3 Abschn. 2 Unterabschn. 2 VV RVG; Nr. 3206 VV RVG).
Folglich wirkt sich der Einwand lediglich auf den Anfall der vollen – hier der 1,6 – Verfahrensgebühr aus. Der Einwand der Antragsgegnerin betrifft jedoch nicht die Erteilung des Auftrags selbst und die – entsprechende – Information des Rechtsanwalts über die der dann doch nicht einzulegenden Verfassungsbeschwerde zugrunde liegenden Umstände. Folglich wendet sich die Antragsgegnerin nicht auch gegen den Anfall der nach Vorbem. 3 Abs. 2 VV RVG bereits für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information entstehenden 1,1 Verfahrensgebühr entsprechend Nr. 3207 VV RVG. Das BVerfG hätte auf die Erinnerung des Rechtsanwalts somit die Entscheidung der Rechtspflegerin abändern und zugunsten des Rechtsanwalts eine 1,1 Verfahrensgebühr nebst Auslagen festsetzen müssen.
b) Aufrechnung mit Gegenforderung
In der Praxis werden außergebührenrechtliche Einwendungen häufig damit begründet, dass der Auftraggeber gegenüber der verfahrensgegenständlichen Vergütungsforderung des Rechtsanwalts mit einer Gegenforderung aufrechnet. Den größten Raum nimmt dabei nach meinen Erfahrungen...