1. Elterliche Sorge
a) Gemeinsame Sorge
Das OLG Brandenburg (FamRZ 2016, 240) vertritt mit der h.M. die Auffassung, dass durch § 1626a Abs. 2 S. 2 BGB eine Vermutung zugunsten der gemeinsamen Sorge im Sinne eines gesetzlichen Leitbildes eingefügt worden ist. Die Vermutung ist jedoch widerleglich und wirkt sich nicht als Beweisregel aus. Mit der klassischen Methode der doppelten Verneinung gibt das materielle Recht die verfahrensrechtlichen Anforderungen an die sog. negative Kindeswohlprüfung. Einer positiven Feststellung der Kindeswohldienlichkeit und dafür erforderlicher Tatsachen bedarf es nicht. Wenn keine Gegengründe festgestellt werden können, ist die gemeinsame Sorge anzuordnen. Werden aus dem Vortrag eines Beteiligten oder aus anderen Quellen Anhaltspunkte ersichtlich, die gegen die gemeinsame Sorge sprechen, dann hat das Gericht dem von Amts wegen nachzugehen. Weitergehende Ermittlungen bedarf es wegen der gesetzlichen Vermutung der Kindeswohldienlichkeit nicht.
b) Entzug der elterlichen Sorge
Die elterliche Sorge darf teilweise oder vollständig nur entzogen werden, soweit eine Gefahr für das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes i.S.v. § 1666 BGB besteht. Voraussetzung für die Annahme der Gefährdung ist dabei, dass die dem Kind drohende Gefahr bereits gegenwärtig in einem solchen Maß besteht, dass sich bei ihrer weiteren Entwicklung eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussagen lässt.
Nach Auffassung des KG (FamRZ 2016, 641 mit ausführlicher Aufzählung von Indizien) kann sich eine Kindeswohlgefährdung auch aus einer Vielzahl von Einzelaspekten ergeben. Wenn das Familiengericht alle zulässigen Möglichkeiten der Tatsachenermittlung ausgeschöpft habe, ohne dass der Verdacht einer Kindeswohlgefährdung bestätigt oder ausgeräumt werden konnte, so habe es eine Risikoabwägung vorzunehmen, bei der sämtliche Indizien und Hinweise Eingang finden müssten.
c) Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts/Fremdunterbringung
Das BVerfG (FamRZ 2016, 22 m. Anm. Hammer) betont erneut, dass eine Trennung des Kindes von seinen Eltern voraussetzt, dass das Kind bei einem Verbleiben in der Familie in seinem körperlichen geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet ist und dass an die Annahme der Gefährdung hohe Anforderungen zu stellen sind. Bestehen Zweifel, ob eine Fremdunterbringung noch erforderlich ist, so darf das Gericht eine weitere notwendige Sachaufklärung nicht einem eingesetzten Ergänzungspfleger überlassen, sondern hat diese selbst vorzunehmen und hierzu die Beteiligten anzuhören oder sonstige weitere Ermittlungen anzustellen.
Hinweis:
Soll ein das Kindeswohl gefährdender Weggang der Mutter mit dem Kind verhindert werden, ist auch eine Beschränkung bzw. ein bloßer Teilentzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts als milderes Mittel gegenüber einem vollständigen Entzug zu prüfen.
In Anwendung dieser Grundsätze hat das BVerfG in einer weiteren Entscheidung (FamRZ 2016, 439) darauf hingewiesen, dass konkret darzulegen ist, dass bei Rückkehr des Kindes in den elterlichen Haushalt eine die Aufrechterhaltung der Trennung legitimierende nachhaltige Kindeswohlgefährdung bestünde. Eine bloße Bezugnahme auf vage und spekulative Einschätzungen in einem Sachverständigengutachten zum psychischen Gesundheitszustand der Mutter genügt hierfür nicht.
d) Schutzimpfung keine Alltagssorge
Ob empfohlene Schutzimpfungen in den Katalog der Alltagssorge des Elternteils fallen, bei dem sich das Kind aufhält, ist umstritten (bejahend OLG Frankfurt FamRZ 2011, 47; a.A. KG FamRZ 2006, 142). Das OLG Jena (MDR 2016, 655) und das OLG Frankfurt (FamRZ 2016, 834) sind der Auffassung, dass die Alltagssorge nicht die Befugnis umfasst, über die Vornahme oder Nichtvornahme von Schutzimpfungen eines minderjährigen Kindes autonom zu entscheiden, da es sich um eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung i.S.v. § 1628 S. 1 BGB handele, deren Entscheidung das Familiengericht bei Dissens der Kindeseltern einem Elternteil übertragen kann. Auch wenn die Gefahren für die Gesundheit statistisch betrachtet gering seien, könnten sie nicht völlig ausgeschlossen werden.
2. Umgangsrecht
a) Wechselmodell
Nach Auffassung des OLG Hamburg (FamRZ 2016, 909 und 912 m. Anm. Hammer) ist eine hälftige Aufteilung der Betreuungszeiten für ein Kind im Sinne des Wechselmodells im Rahmen eines Umgangsverfahrens möglich, sofern dies im Einzelfall insbesondere unter Beachtung des Kindeswillen und des Kontinuitätsgrundsatzes die dem Kindeswohl am besten entsprechende Gestaltung der Betreuungszeiten darstellt. Bei dieser Regelung bzw. einer Aufteilung der Betreuung im Verhältnis 2/3; zu 1/3 könne die gemeinsame elterliche Sorge im Bereich des Aufenthaltsbestimmungsrechts trotz Streit über den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes aufrechterhalten werden.
Hinweis:
Nach h.M. (vgl. Hammer FamRZ 2015, 1433 und zuletzt OLG Karlsruhe FamRZ 2015, 1736) kann ein Wechselmodell nicht gegen den Willen des Kindes angeordnet werden.
b) Ausgestaltung des Umgangs
Die Ausgestaltung des Umgangs nach Art, Ort oder Zeit richtet sich in erster Linie nach dem Willen der Eltern. Fehlt es an einer entsprechenden Regelung so wird nach einer Entscheidung des KG (FamRZ 2016, 389 = FuR 2016, 176) der Ort, an dem...