1. Allgemeines
Der Entwurf einer "Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften" (BR-Drucks 424/17), der weitreichende Änderungen des § 23 Abs. 1a StVO vorgesehen hat, ist nicht am 7.7.2017 im Bundesrat beraten worden, obwohl die Beratung terminiert war. Der Änderungsentwurf wurde kurz zuvor zurückgezogen. Derzeit ist nicht absehbar, wann welche Änderungen, die hier in einem Überblick dargestellt werden, erfolgen.
2. Geplante Änderungen
Diese Änderungen – vgl. BR-Drucks 424/17 – waren vorgesehen: Nach § 23 Abs. 1a S. 1 StVO-E sollte ein Fahrzeugführer ein "elektronisches Gerät, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient oder zu dienen bestimmt ist, nur benutzen [dürfen], wenn 1. hierfür das Gerät nicht aufgenommen und nicht gehalten wird und 2. entweder a) nur eine Sprachsteuerung und Vorlesefunktion genutzt wird oder b) zur Bedienung und Nutzung des Gerätes nur eine kurze Blickzuwendung zum Gerät bei gleichzeitiger Blickabwendung vom Verkehrsgeschehen erfolgt oder erforderlich ist, die einen Zeitraum von einer Sekunde nicht überschreitet." Geräte im Sinne dieser Regelung waren nach Satz 2 "auch Geräte der Unterhaltungselektronik oder Geräte zur Ortsbestimmung, insbesondere Mobiltelefone oder Autotelefone, Berührungsbildschirme, tragbare Flachrechner, Navigationsgeräte, Fernseher oder Abspielgeräte mit Videofunktion oder Audiorekorder." Ausnahmen sollten u.a. gelten für ein stehendes Fahrzeug, im Falle eines Kraftfahrzeugs nur, wenn der Motor vollständig ausgeschaltet ist. Dazu war ausdrücklich geregelt, dass das fahrzeugseitige automatische Abschalten des Motors im Verbrennungsbetrieb oder das Ruhen des elektrischen Antriebes kein Ausschalten des Motors darstellen sollte.
Vorgesehen waren außerdem erhebliche Verschärfungen der Rechtsfolgen. Bisher ist für die verbotswidrige Nutzung des Mobiltelefons (nur) eine Geldbuße von 60 EUR beim Kraftfahrer und von 25 EUR beim Radfahrer vorgesehen (vgl. oben VIII.). Für den Kraftfahrer waren nach der geänderten BKatV folgende Sanktionen vorgesehen: für die "einfache" unzulässige Nutzung 100 EUR (Nr. 246.1 BKatV-E); für die Nutzung mit Gefährdung 150 EUR und ein Monat Fahrverbot (Nr. 246.2 BKatV-E) und für die Nutzung mit Sachbeschädigung 200 EUR und ein Monat Fahrverbot (Nr. 246.3 BKatV-E). Für Radfahrer war nach Nr. 246.4 BKatV-E für die Nutzung beim Radfahren eine Geldbuße von 55 EUR vorgesehen.
Hinweise:
Verboten wäre damit alles – erfasst wird auch alles. Also z.B. auch das Navigationsgerät, wenn man es aufnimmt oder hält. Und: Bei dem weiten Begriff der Kommunikation, den die Obergerichte schon in der Vergangenheit vertreten haben (vgl. oben V.), muss man damit rechnen, dass auch die Benutzung einer Funkfernbedienung zum Öffnen eines motorisierten Garten- oder Garagentors unter die neue Regelung fallen würde (auch das ist ja "Kommunikation"). Es sei denn, man stellt den Motor aus, und zwar vollständig – automatisches Abschalten gilt nicht mehr. Das Autoradio wird man allerdings noch betätigen dürfen, da man das nicht aufnehmen oder halten muss.
Schwierig dürfte m.E. auch der Umgang mit der Formulierung: "zur Bedienung und Nutzung des Gerätes nur eine kurze Blickzuwendung zum Gerät bei gleichzeitiger Blickabwendung vom Verkehrsgeschehen erfolgt oder erforderlich ist, die einen Zeitraum von einer Sekunde nicht überschreitet" werden. Wie soll das in der Praxis nachgewiesen werden, bzw. wie ist nachzuweisen, dass die "Blickzuwendung" kürzer war?
Autor: Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Münster/Augsburg
ZAP F. 9, S. 789–798