1. Bindungswirkung einer Patientenverfügung
Der BGH (FamRZ 2017, 748 m. Anm. Dodegge = NJW 2017, 1737 = MDR 2017, 462 = FuR 2017, 331 m. Bearb. Soyka) bekräftigt seine Rechtsprechung zu den Anforderungen an die Konkretheit einer Patientenverfügung i.S.d. § 1901a Abs. 1 BGB und zeigt auf, dass eine exakte Beachtung der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale zur Entfaltung einer Bindungswirkung der Verfügung unbedingt notwendig ist. Neben den Erklärungen zu den ärztlichen Maßnahmen, in die der Ersteller einwilligt oder die er untersagt, ist erforderlich, dass die Verfügung auch erkennen lässt, dass sie in der konkreten Behandlungssituation Geltung beanspruchen soll. So enthält die schriftliche Äußerung, dass lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben sollen, für sich genommen nicht die für eine bindende Patientenverfügung notwendige konkrete Behandlungsentscheidung des Betroffenen. Es muss sich feststellen lassen, in welcher Behandlungssituation welche ärztlichen Maßnahmen durchgeführt bzw. unterbleiben sollen. Die Anforderungen dürfen nicht überspannt werden. Vorausgesetzt werden kann nur, dass der Betroffene umschreibend festlegt, was er in einer bestimmten Lebens- und Behandlungssituation will und was nicht. Die erforderliche Konkretisierung kann sich im Einzelfall auch bei nicht hinreichend konkret benannten ärztlichen Maßnahmen durch Bezugnahme auf ausreichend spezifizierte Krankheiten oder Behandlungssituationen ergeben. Der Wille des Errichters der Patientenverfügung ist dann durch Auslegung der in der Verfügung enthaltenen Erklärungen zu ermitteln.
Literaturhinweise:
Zu Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung vgl. Stollenwerk ZAP F. 11 R, S. 976 sowie Kurze, Vorsorgevollmacht, Betreuungs-, Patienten- und Bestattungsvollmacht, ZAP F. 12, S. 327 ff.
2. Betreuungsbedarf
a) Anforderungen
Der BGH (MDR 2017, 461) weist erneut darauf hin, dass die Bestellung eines Betreuers neben dem Vorliegen einer der in § 1896 Abs. 1 S. 1 BGB genannten Krankheiten oder Behinderungen erfordert, dass der Betroffene aufgrund dieser gesundheitlichen Einschränkungen seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann. Die Begründung der Betreuungsbedürftigkeit bedarf einer eingehenden Differenzierung. Das notwendige Sachverständigengutachten hat sich nach § 280 Abs. 3 FamFG zu erstrecken auf: das Krankheitsbild einschließlich der Krankheitsentwicklung, die durchgeführten Untersuchungen und die diesen zugrunde gelegten Forschungserkenntnisse, den körperlichen und psychischen Zustand des Betroffenen, den Umfang des Aufgabenkreises und die voraussichtliche Dauer der Maßnahme. Ein Betreuer darf nur für Aufgabenkreise bestellt werden, in denen eine Betreuung erforderlich ist. Für welche Aufgabenbereiche dies in Betracht kommt, ist aufgrund der konkreten, gegenwärtigen Lebenssituation des Betroffenen zu beurteilen.
Hinweis:
Die gesetzlichen Betreuungsvoraussetzungen nach § 1896 BGB müssen sowohl bei der Einrichtung als auch bei der Fortsetzung der Betreuung vorliegen. Sie können nicht aufgrund einer bloßen Verdachtsdiagnose festgestellt werden (BGH FamRZ 2017,140).
b) Einwilligungsvorbehalt
Soweit es zur Abwendung einer erheblichen Gefahr für die Person oder das Vermögen des Betreuten erforderlich ist, ordnet das Betreuungsgericht nach § 1903 Abs. 1 BGB an, dass der Betreute zu einer Willenserklärung, die den Aufgabenbereich des Betreuers betrifft, dessen Einwilligung bedarf (Einwilligungsvorbehalt). Dies gilt nicht für geringfügige Angelegenheiten des täglichen Lebens, soweit das Gericht dies nicht ausdrücklich anordnet (qualifizierter Einwilligungsvorbehalt nach § 1903 Abs. 3 S. 2 BGB).
- Der BGH (FamRZ 2017, 754 = MDR 2017, 458) weist darauf hin, dass das Betreuungsgericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht feststellen muss, ob ein solcher Vorbehalt erforderlich ist. Auch der qualifizierte Einwilligungsvorbehalt muss verhältnismäßig sein. Der Umfang der Ermittlung richtet sich auch danach, dass es sich bei einem Einwilligungsvorbehalt um einen gravierenden Eingriff in die Grundrechte des Betroffenen handelt, der sich ohne weitere Feststellungen nicht rechtfertigen lässt.
- Auch bei einem umfangreichen Vermögen des Betreuten kann der Einwilligungsvorbehalt nur dann angeordnet werden, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine Vermögensgefährdung erheblicher Art vorliegen (BGH MDR 2017, 213 = FuR 2017, 22 m. Bearb. Soyka).
- Wenn keine gesonderte Anordnung nach § 1903 Abs. 3 S. 2 BGB ergangen ist, bedarf der Betroffene für den Erwerb geringer Mengen Alkoholika auch bei bestehendem Einwilligungsvorbehalt nicht der Einwilligung seines Betreuers (BGH NJW 2017, 890 = MDR 2017, 211 = FamRB 2017, 103 m. Hinw. Moll-Vogel = FuR 2017, 198 m. Bearb. Soyka).
3. Verfahren
a) Anhörung des Betroffenen
aa) Erweiterung der Kontrollbetreuung
Eine Kontrollbetreuung nach § 1396 Abs. 3 BGB kommt in Betracht, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass der Bevollmächtigte mit den anfallenden Geschäften überfordert ist oder gegen seine Redlichkeit oder Tauglichkeit Bedenken bestehen. Wie bei allen in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen eingreifenden Maßnahmen im Betreuungsverfahren ist auch bei der Erweiterung der Kontr...