Eine Verwirkung kommt nach allgemeinen Grundsätzen in Betracht, wenn der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend macht, obwohl er dazu in der Lage wäre (Zeitmoment) und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass dieser sein Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde (Umstandsmoment). Insofern gilt für Unterhaltsansprüche nichts anderes als für andere in der Vergangenheit fällig gewordenen Ansprüche (vgl. BGH FamRZ 2007, 453).
Im Anschluss an seine ständige Rechtsprechung (vgl. BGH FamRZ 1999, 1422) hat der BGH (FamRZ 2018, 589 = NJW 2018, 1013 = MDR 2018, 343 = FamRB 2018, 134 m. Hinw. Schneider = FuR 2018, 268 m. Hinw. Soyka) betont, dass ein nicht geltend gemachter Unterhaltsanspruch grundsätzlich schon vor Eintritt der Verjährung und auch während der Hemmung nach § 207 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB verwirkt sein kann. Die gesetzlichen Hemmungstatbestände haben ihre Bedeutung für die Frage, ob die Durchsetzbarkeit eines Anspruchs allein aus Zeitgründen scheitert. Für die Verwirkung muss hingegen das Umstandsmoment hinzutreten. Bei Unterhaltsansprüchen sind an das Zeitmoment keine strengen Anforderungen zu stellen. Von einem Unterhaltsgläubiger, der lebensnotwendig auf Unterhaltsleistungen angewiesen ist, muss erwartet werden, dass er sich zeitnah um die Durchsetzung seiner Ansprüche bemüht. Im Regelfall ist das Zeitmoment erfüllt, wenn die Rückstände Zeitabschnitte betreffen, die mehr als ein Jahr zurückliegen (so auch KG FamRZ 2018, 102).
Der Vertrauenstatbestand kann nicht allein durch den bloßen Zeitablauf erfüllt werden (vgl. BGH FamRZ 2018, 681 = MDR 2018, 742). Dies gilt nicht nur für die bloße Untätigkeit, sondern auch für die unterlassene Fortsetzung einer bereits begonnenen Geltendmachung. Das sonstige Verhalten des Gläubigers muss den Grund zu der Annahme geben, er werde den Unterhaltsanspruch nicht mehr geltend machen, etwa wenn er seinen Rechtsstandpunkt aufgegeben hat.
Nach einer Entscheidung des KG (FamRZ 2010, 102) kann das Umstandsmoment bei einem titulierten Unterhaltsrückstand darin gesehen werden, dass der Gläubiger im Hinblick auf eine deutlich gebesserte wirtschaftliche Lage des Schuldners die erfolgversprechende Zwangsvollstreckung androht, sie dann aber unterlässt. Das Umstandsmoment kann weiter gegeben sein, wenn der Titelgläubiger sich über einen längeren Zeitraum hinweg widerspruchslos mit der Zahlung eines hinter dem titulierten Betrag deutlich zurückbleibenden Teilbetrags zufrieden gibt.