1. Elterliche Sorge
a) Übertragung
Eine dem Kindeswohl entsprechende gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung setzt nach der Rechtsprechung des BGH ein Mindestmaß an Übereinstimmung in wesentlichen Bereichen elterlicher Sorge und eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraus. Fehlt es an einer tragfähigen Kommunikation und Kooperation der Eltern, so ist nach einer Entscheidung des OLG Düsseldorf (FamRZ 2018, 693) die gemeinsame elterliche Sorge regelmäßig auch dann aufzuheben und einem Elternteil allein zu übertragen, wenn der andere Elternteil die Erteilung einer Sorgerechtsvollmacht anbietet.
b) Berücksichtigung der Persönlichkeitsentwicklung
Das BVerfG (ZAP EN-Nr. 169/2018 = FamRZ 2018, 266 m. Anm. Hammer = FamRB 2018, 96 m. Hinw. Clausius) wiederholt die Grundsätze, die bei der Aufhebung der gemeinsamen Sorge zu beachten sind, und weist insbesondere darauf hin, dass in Sorgerechtsentscheidungen die Instanzgerichte auch Feststellungen dazu treffen müssen, welche Entwicklung aufgrund einer Sorgerechtsregelung in der nächsten Zukunft zu erwarten ist. Dies ist eine wesentliche Frage des Kindeswohls. Erforderlich sind Feststellungen zur aktuellen Bedürfnislage des Kindes und dazu, welche Faktoren diese Bedürfnislage bestimmen (hier: kurz- und mittelfristige Auswirkungen auf die Persönlichkeitsentwicklung eines Jungen, der dem anderen Geschlecht angehören will – sog. Geschlechtsidentitätsstörung –, wenn der allein sorgeberechtigte Elternteil dessen Wunsch, Mädchenkleidung zu tragen, nicht entgegenkommt).
Hinweis:
In die Sorgerechtsentscheidung ist der Kindeswille einzubeziehen, soweit er mit dem Kindewohl vereinbar ist.
c) Auskunftsanspruch
Nach Treu und Glauben steht einem Berechtigten ein Auskunftsanspruch zu, wenn die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang seines Recht im Ungewissen ist, und der Verpflichtete in der Lage ist, unschwer die zur Beseitigung dieser Ungewissheit erforderlichen Auskünfte zu erteilen (vgl. BGH NJW 2007, 1806). Die erforderliche rechtliche Beziehung besteht auch bei einem unmittelbaren familienrechtlichen Verhältnis, insbesondere bei gemeinsamer elterlicher Sorge. Das OLG Oldenburg (MDR 2018, 601= NJW 2018, 1766) hat entsprechend entschieden, dass einem Elternteil ein Auskunftsanspruch über den Verbleib von Geld des gemeinsamen Sohnes zusteht, wenn der andere Elternteil unberechtigt allein über dessen Barvermögen verfügt (hier: Einrichtung eines neuen Sparkontos).
d) Paritätische Betreuung
Das BVerfG (FamRZ 2018, 593) hat seine frühere Entscheidung (FamRZ 2015, 1585) bestätigt, dass aus Art. 6 Abs. 2 GG nicht folgt, dass der Gesetzgeber bei getrennt lebenden Eltern eine paritätische Betreuung des Kindes als Regel vorgeben müsste. Es ist daher verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Anordnung eines paritätischen Wechselmodells wegen eines hochstrittigen Verhältnisses der Eltern abgelehnt wird.
e) Gerichtliche Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls
Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder in der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind (§ 1666 Abs. 1 BGB). Die Aufzählung der Gebote und Verbote in § 1666 Abs. 3 BGB ist nicht abschließend, so dass auch andere Weisungen in Betracht kommen, wenn es sich um vergleichbare Maßnahmen handelt (vgl. BGH FamRZ 2017, 212).
Das OLG Brandenburg (FamRZ 2018, 829) stellt klar, dass zu den in § 1666 Abs. 3 Nr. 1 BGB genannten Geboten, öffentliche Hilfen wie z.B. Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und der Gesundheitsfürsorge in Anspruch zu nehmen, auch gehört, ein Kind in ärztliche Behandlung oder in eine Therapie zu geben. Für die einem Elternteil erteilte Auflage, zur Verbesserung der Erziehungsfähigkeit eine Psychotherapie durchzuführen, gibt es jedoch keine gesetzliche Grundlage. Einen solchen Eingriff erlaubt § 1666 BGB nicht.
f) Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung
Leben die Eltern, denen die elterliche Sorge gemeinsam zusteht, nicht nur vorübergehend getrennt, so ist bei Entscheidungen in Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, ihr gegenseitiges Einvernehmen erforderlich (§ 1687 Abs. 1 S. 1 BGB). Können sich die Eltern nicht einigen, kann das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung gem. § 1628 BGB einem Elternteil übertragen.
- Beantragung eines Reisepasses
Streitig ist die Frage, ob beide Eltern gemeinsam über die Beantragung eines Kinderreisepasses entscheiden müssen. Das OLG Oldenburg (FamRZ 2018, 756) folgt der Auffassung des OLG Karlsruhe (FamRZ 2005, 1187; 2015, 150; anders OLG Bremen FamRZ 2008, 810), dass es sich dabei um eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung und nicht um eine Alltagsangelegenheit handelt.
Hinweis:
Das Aufenthaltsbestimmungsrecht beinhaltet bereits die Berechtigung zur Beantragung eines Kinderreisepasses.
Die Schulwahl ist nach allgemeiner Meinung eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung. Weisen die in Betracht kommenden Schulen keine größeren Unterschiede ...